Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
letzte Satz hatte das »Auf Wiedersehen« quasi schon in sich getragen.
»Brauchen Sie eine Kontaktperson vor Ort?«
Schweigen. Julius sah, wie die Digitalanzeige seines Telefons die Sekunden taktgenau zählte. Es waren fünf, die sich anfühlten wie fünfzig. Dann begann etwas, das wie ein Lachen klang.
Julius setzte nach. »Mir sind da ein paar Ideen gekommen, die vielleicht weiterhelfen könnten.« Stimmte natürlich nicht. Ihm waren überhaupt keine Ideen gekommen. Er war nur neugierig. Nicht nur, wer Klaus Grad wirklich war und wer Gründe haben konnte, ihn umzubringen, auch warum dies im Regierungsbunker geschehen musste, und vor allem: Wie es sein konnte, dass der Raum, in dem er den Toten gefunden hatte, von innen verschlossen war.
Von Reuschenberg fing sich wieder. »Soso.«
»Wir sollten uns am besten noch heute treffen, denn übermorgen mache ich das Restaurant wieder auf.« Eigentlich, dachte Julius, war das kein Grund, sich heute zu treffen. Morgen wäre genauso gut gewesen. Von Reuschenberg sah das ähnlich.
»Morgen wäre nicht früh genug?«
Julius verfluchte nun, dass er das Rotweinglas vor dem Gespräch nicht noch einmal gefüllt hatte. Nach einem Schluck ließ es sich so viel besser lügen.
»Morgen haben wir Inventur.«
»Zufälle gibt es.«
»Ja. Sehr ärgerlich.« Wieder folgte Schweigen, und Julius begann das spiralförmige Telefonkabel um den Zeigefinger zu wickeln.
»Ich muss zugeben, dass mir die Vorstellung gefällt, wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Das war beim letzten Mal ja sehr fruchtbar, auch wenn es einige Komplikationen gab und Sie mir die Lorbeeren geraubt haben. Die Presse hat sich ja geradezu auf Sie gestürzt, als Sie den Preis für Zivilcourage des Innenministers erhielten.«
»So etwas wird nie wieder passieren. Ein Anfängerfehler, sonst nichts.« Julius machte mit der Schnur um seinen Mittelfinger weiter. »Sie standen aber auch ganz schön im Rampenlicht, als Sie im Sommer den Doppelmord am Deutschen Eck aufgeklärt haben.«
»Wollen wir mit offenen Karten spielen?«
Eine Fangfrage! Und Julius hatte sich seinem Ziel schon so nahe gefühlt. Würde er die Informationen nun doch nur aus den Zeitungen bekommen? Die wenigen, die diese überhaupt veröffentlichten.
Natürlich gab es auf von Reuschenbergs Frage nur eine Antwort: »Ja.«
»Sie haben Blut geleckt und wollen wieder mitmachen bei der Mörderjagd.«
Wenn man einmal bei der Wahrheit war, konnte man auch direkt damit weitermachen. »Ja.« Immer raus damit! Julius ließ das Telefonkabel zurückflitschen.
»Sie können es nicht erwarten zu erfahren, was wir alles am Tatort rausgefunden haben?«
»Ja.«
»Sie möchten am liebsten noch mal hin, um alles genau in Augenschein zu nehmen?«
»Ja.«
»Und den ganzen Spaß, ohne vorher eine ordentliche Ausbildung als Polizeibeamter zu machen?«
»Ja.« Dieses »Ja«, dachte Julius, war wohl ein bisschen zu schnell und freudig gekommen.
»Tja.«
»Tja was?«
»Tja, unsere Treffen haben mir immer sehr gefallen. Ich hab sie richtig … vermisst. Dann ziehen Sie sich mal gedeckte Kleidung an und schwingen Ihren Sternekochpo zum Bunkereingang in Marienthal.«
»Der Sternekochpo ist schon unterwegs!«
Julius zögerte keinen Augenblick, zog die Daunenjacke an, holte die Handschuhe aus den Seitentaschen, legte sich den blaugrünen Tartan-Schal um. Sein Gehirn lief währenddessen heiß. Julius begann zu zählen. Die Gruppe bestand, inklusive Tourführer, aus vierunddreißig Personen. Das wusste er genau, denn sie waren am Eingang des Regierungsbunkers durchgezählt worden. Einer dieser vierunddreißig war ermordet worden, und einer war er selbst – blieben zweiunddreißig Verdächtige. Das heißt, wenn es keine weiteren Gruppen gab, die während der Tatzeit in der Anlage waren. Oder Angestellte der Bunkerverwaltung.
Julius blickte noch einmal ins Wohnzimmer.
Den ganzen Tag im warmen Haus bleiben, in molligen Schafwoll-Schlappen, einen heißen Tee mit Rum nach dem anderen schlürfen, der dicke Kater friedlich auf dem Schoß schlummernd.
Das war der Himmel.
Aber die Hölle war so viel spannender.
Er öffnete die Haustür, den Schlüssel in der Hand, bereit abzuschließen. Doch etwas Sperriges stand ihm im Weg. Er hätte es riechen müssen, denn der großzügige Einsatz von Haarspray ließ nur eine Vermutung zu: Annemarie. Eine entfernte Verwandte und das selbst ernannte Sprachrohr der Landplage, wie Julius seine Großfamilie zu bezeichnen pflegte.
Wenn
Weitere Kostenlose Bücher