Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
»Zusammen mit Stefan. Ich musste auf die Toilette, wusste aber nicht, wo die war, und er meinte, er könnte sich noch dran erinnern.«
»Ich glaube Ihnen das ja, aber ich weiß nicht, ob die Polizei es auch wird. Stefan Dopen hat sich bei der Führung ausdrücklich nach der Kapelle erkundigt, wann sie kontrolliert wird, wie man sie verschließt. Mit anderen Worten: Er hat sich nach dem Raum erkundigt, in dem Klaus Grad später ermordet wurde.«
Sandra Böckser wurde unruhig. »Sie meinen, das sieht schlecht aus.«
»Ja.«
»Haben Sie der Polizei gesagt …?«
Julius schüttelte den Kopf. »Ich wollte Ihnen die Chance geben, es selbst zu tun.«
»Wenn das publik wird. Das darf niemals rauskommen!« Es klingelte an der Tür. »Wer kann das sein? Ich erwarte niemanden.«
Der Moment war vorbei. Julius beschloss zu gehen. Sandra Böckser musste mit diesem Gedanken allein sein. Er hoffte, sie würde nach kurzer Zeit nicht anders können, als sich der Polizei anzuvertrauen. Sie war doch der ehrliche Typ, oder? Eine so charmante, begabte, schöne Frau …
Mit einem Handgriff nahm Julius den Pullover von der Couch, zog ihn sich über und ging in die Diele, wo seine dicke Jacke hing. Das Gespräch an der Tür war sehr laut.
»Sie kommen wirklich ungelegen.«
»Aber ich bin Ihr größter Fan. Wissen Sie, wie schwierig es war, Ihre Adresse rauszufinden? Lassen Sie mich doch rein! Bitte! Ich möchte nur ein paar Fotos schießen, damit mir meine Freunde auch glauben, dass ich wirklich hier war. Sie sehen toll aus im Morgenmantel! Haben Sie überhaupt was drunter an?«
Der schwere, nachlässig gekleidete Mann glotzte Sandra Böckser an. Sein Bauch lappte im weißen Hemd über die schlabberige Jeans.
Er streckte einen Arm aus, nach Sandra Böckser grapschend.
Sie versuchte, ihn herauszuschieben.
Der Mann hielt dagegen.
»Seien Sie doch nicht so! Sie erzählen immer, Ihre Fans seien Ihnen das Wichtigste.«
» Bitte gehen Sie jetzt!«
»Dann geben Sie mir wenigstens einen Kuss zum Abschied. Einen kleinen auf die Wange. Zieren Sie sich doch nicht so, ich bin doch Ihr größter Fan!«
Der Mann drückte Sandra Böckser gegen den Türrahmen.
Er schob sein Gesicht immer näher an ihres.
Sie schrie.
Julius rammte mit den Armen voran den Eindringling.
Aus seinem Gegenüber entwich Luft wie aus einem zerstochenen Autoreifen.
»Hast du nicht gehört, was Frau Böckser gesagt hat?«
Er schob den Mann gegen die Wand im Hausflur.
»Wenn du noch einmal ihre Privatsphäre störst, werde ich nicht mehr so zimperlich sein, Freundchen! Dann kriegst du’s mit meiner schweren gusseisernen Pfanne, bis du nicht mehr weißt, ob du Mensch oder Huhn bist!« Julius wusste, dass solche Drohungen nur wirkten, wenn die Wut echt wahr. Sie war es. Er hätte den Koloss am liebsten wie ein großes Stück Rind durch den Fleischwolf gedreht. Jetzt begnügte er sich damit, ihn so stark wegzustoßen, dass der Mann fast hinfiel. Er rannte stolpernd hinaus. Und sagte kein Wort mehr.
»Davor hatte ich immer Angst.« Sandra Böckser zitterte.
Julius nahm sie in die Arme. »Der kommt nie wieder. Und Sie achten einfach darauf, dass Ihre neue Wohnung eine Gegensprechanlage hat.«
»Davor hatte ich immer schreckliche Angst!« Sandra Böckser schluckte mehrmals, aber begann nicht zu weinen. Sie hatte sich unter Kontrolle. Von diesem Mann wollte sie sich nicht zum Weinen bringen lassen. Sie sah Julius an, ihre Augen glänzten feucht.
»Vielen, vielen Dank, Herr Eichendorff. Ohne Sie hätte ich das nicht geschafft!«
»Aber natürlich. Sie hätten im richtigen Moment schon gewusst, wo dieser Idiot seine … schwache Stelle hat.«
Sie lachte wieder ein bisschen. »Das hätte ich wahrscheinlich.«
»Sehen Sie.«
Sandra Böckser schaute ihn eindringlich an. »Wissen Sie eigentlich, was für ein toller Mann Sie sind?«
»Ach was. Das hätte jeder getan.«
»Nein.«
Julius fühlte sich unwohl. Ob er rot geworden war? »Kann ich Sie jetzt allein lassen?«
»Ja. Klar. Ich krieg das schon hin. Danke.«
»Für Sie immer gern.« Julius wandte sich zur Tür.
»Wissen Sie was? Sie bekommen jetzt einen Kuss von mir. Als Dankeschön. Und zwar nicht auf die Wange, sondern auf den Mund.« Ihre Lippen näherten sich den seinen. »Das wollte ich schon lange machen.«
Sandra Böckser fuhr Julius mit beiden Händen durch die spärlichen Haare und küsste ihn lange.
Und es war kein sozialistischer Bruderkuss.
Im Hausflur erschien Anna von
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