Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
hakte Julius noch einmal nach.
»Wir sind Spieler, Trickser, Betrüger. Wir können nicht durch geschlossene Türen gehen. Wir können es nur andere glauben machen. Niemand kann durch geschlossene Türen gehen. Es ist alles Illusion. Fragen Sie mich nicht, wie der Mörder das fertig gebracht hat. Von diesem Trick habe ich noch nie gehört. Erzählen Sie’s mir, wenn Sie wissen, wie er’s gemacht hat. Coole Illusionen kann ich nie genug haben.«
»Haben Sie eigentlich Kollegen im Ahrtal?«
»Nee, da gibt’s keinen. Zumindest keinen, der so was zustande bringen könnte.«
Julius wollte sich schon abwenden, als ihm noch eine letzte Frage einfiel. »Spielen Sie Golf?«
»Erst seit kurzem. Wieso?«
Das war’s. Die Hoffnung, von Magus etwas zu erfahren, das ihn dem Mörder näher brachte, war eine Illusion gewesen.
Eine Großillusion.
Am Morgen des nächsten Tages, einige Kilometer von Heppingen entfernt, fragte sich Julius, warum er weiche Knie hatte. Von der Kälte sollten sie eigentlich steifgefroren sein. Es mochte daran liegen, dass er in den nächsten Minuten einige unangenehme Fragen stellen wollte. Es konnte aber auch daran liegen, dass die Adressatin der Fragen Sandra Böckser hieß.
Sie öffnete ihm die Tür barfuß, in einem dünnen Morgenmantel. Die Wohnung war fast so aufgeheizt wie die Sauna in Vettelhoven. Allerdings roch es hier besser. Sandra Böckser hatte ein Vanilleparfüm aufgelegt.
Julius liebte Vanille.
»Kommen Sie herein! Ich war ganz überrascht, als Sie angerufen haben, aber für meine Fans habe ich immer Zeit.« Sie zwinkerte Julius zu, während sie ihn ins Wohnzimmer führte.
Der Raum war, wie auch schon die kleine Diele, geschmackvoll eingerichtet, stilsicherer, als Julius es von einer so jungen Frau erwartet hätte. Aber an einigen Wänden stachen Makel hervor. Bilder, von offensichtlich unbegabten Menschen gepinselt, vermutlich Familienangehörigen, die sie ihren Anverwandten schenkten. Dieser Kunstterrorismus zwang die Beschenkten, das wusste Julius aus eigener leidvoller Erfahrung, die Malereien aufzuhängen. Kontrollbesuche überprüften das standesgemäße Verhalten.
Sandra Böckser schien ein sehr höflicher Mensch zu sein.
Auch was die Gastfreundschaft anging. Sie brachte ihm direkt einen Glühwein, und er war gut, selbst gemacht.
»Ich hab Spaß am Kochen«, sagte sie strahlend. »Ich liebe es, in Töpfe zu gucken, wie sich alles verändert, das ist toll.«
Julius widersprach nicht.
»Aber Sie sind ja wegen was ganz anderem hier. Ich leg Ihnen mal was von meinem neuen Album ›Zeit für Gefühle‹ auf. Wir haben schon eine Probe- CD von den acht Liedern gebrannt, die ganz sicher draufkommen.«
Was dann aus den Boxen drang, war ohne Frage melodiös. Und Sandra Böckser traf auch stets den Ton. Aber es klang nach Plastik. Julius hasste solche Musik. Aber jetzt, mit dem Glühwein, mit der Vanille, mit dieser netten Gastgeberin, gab er sich wirklich alle Mühe, es gut zu finden. Zumindest das Handwerk zu bewundern.
Er trank noch einen Schluck.
»Sie haben eine phantastische Stimme. So viel Ausdruck!«
»Ja? Danke! Das höre ich oft. Aber ich kann es nicht oft genug hören!«
Sie schlug ihre langen Beine übereinander und strich den Morgenmantel über einen Oberschenkel, der unbedeckt geblieben war.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Julius »Ich meine, wegen des Todes Ihrer Tante.«
Sandra Böckser wurde ernst. »Es geht. Ich versuche, nicht daran zu denken. Sie hätte nicht gewollt, dass man um sie trauert. Wenn es zu Ende ist, hat sie immer gesagt, dann soll es so sein. Ich glaube fast, sie wollte sterben. Schon lange.«
Ein merkwürdiger Satz, wo sie doch keines natürlichen Todes gestorben war.
Julius fragte, ob er seinen Pullover ausziehen könne, da ihm heiß war. Er legte ihn ordentlich gefaltet neben sich auf die Couch. »Schlimm bei Todesfällen ist auch, was alles an Organisatorischem auf einen zukommt. Die Beerdigung, Anzeigen, das Erbe – überall gibt es Komplikationen.«
»Oh, das. Es ging alles problemlos. Das hat der Nachlassverwalter für mich geregelt. Selbst das mit dem Erbe ging viel schneller, als ich gedacht hatte.«
»Dann sind Sie jetzt wahrscheinlich eine gemachte Frau. Ich hoffe, Sie hören trotzdem nicht mit dem Singen auf.«
Sie schenkte ihm einen langsamen Augenaufschlag. »Nein. Natürlich nicht. Ich werd mir wohl eine schöne, große Wohnung mit Garten kaufen. Dann kann ich auch meine Katze wieder zu mir nehmen. Warten Sie, ich
Weitere Kostenlose Bücher