Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
Reuschenberg.
Julius würde ihren Gesichtsausdruck nie vergessen.
VIII
»Im Namen des Gesetzes«
Julius hatte schlecht geschlafen. Der Ausdruck in Annas Gesicht, ihre Weigerung, sich Julius’ Erklärung anzuhören, Sandra Böcksers Bemerkung, als Julius fast zur Tür hinaus war, sie möge große, bärige Männer, all das war zu viel emotionales Chaos. Vor allem, da Julius in dessen Bewältigung nicht mehr geübt war. Er zog sich an und stapfte hinaus auf die Straße, ließ sich vom eisigen Wind die Nase einfrieren und drehte eine Runde durch Heppingen, stetig fluchend, weil er immer noch keine molligen Ohrenschützer gekauft hatte.
Er sah etwas, das ihn auf andere Gedanken brachte.
Die Gedanken lauteten: Ist der Mann verrückt? Oder erfroren?
Aber würde er dann so rauchen wie ein kleiner, wohliger Kamin?
Der Mann, der diese Fragen aufwarf, war Professor Altschiff. Er saß in einem hölzernen Klappstuhl im Vorgarten und sog genüsslich an einer Pfeife.
Er winkte Julius zu. »Setzen Sie sich zu mir!«
Der Gedanke, bei dieser Kälte still zu sitzen, den Körper nicht mit Bewegungswärme zu versorgen, schien Julius mehr als abwegig.
Altschiff klappte einen zweiten Stuhl auf. »Stellen Sie sich nicht so an! Ein Mann wie ein ausgewachsenes Hochlandrind.«
Julius fügte sich in sein Schicksal und setzte sich auf den Stuhl. Ihm fiel auf, dass der Professor die Stühle genau im Windschatten postiert hatte, so dass es bedeutend weniger kalt als auf der Straße war.
»Auch eine Pfeife?«
»Nein«, sagte Julius, der mit seinen Lastern Speis und Trank bereits genug hatte.
»Dann wird Ihnen aber warm.«
»Geht schon«, sagte Julius und verschränkte die Arme vor der Brust, die Wärme festhaltend.
»Schön, so ein Après-Ski. Die kalte Luft ist so klar.« Altschiff nahm den Mund voll Rauch und blies ihn genüsslich wieder aus.
»Ich sehe aber keine Skispuren in Ihrem Garten …«
»No sports, wie schon Churchill sagte. Man fährt doch sowieso nur wegen des Après-Ski in die Alpen. Den Weg erspar ich mir eben.«
»Sehr pragmatisch.«
»Ich hab mir übrigens Gedanken gemacht.«
»Das ist immer gut«, sagte Julius, der keine Ahnung hatte, worüber Altschiff nachgedacht hatte.
»Diese Morde«, sagte der Professor, »ist die Polizei wirklich so blöd?« Er blies einen perfekten Kringel in die gefrierende Luft.
Und noch einen.
»Ich glaube, die Polizei macht gute Arbeit«, sagte Julius.
»Ach ja? Und was haben die rausgefunden?«
Das konnte er ihm nicht sagen. Jetzt war er in der Defensive. »Das werden sie kaum verraten, um dem Mörder keine Anhaltspunkte zu geben.«
»Ach Quatsch! Die wissen nichts. So sieht’s aus. Anhaltspunkte, phh! Das ist die beste Ausrede seit Erfindung des Polizeisprechers. Ein Freifahrschein für Unfähigkeit. Soll ich Ihnen sagen, was ich denke?«
»Immer raus damit«, sagte Julius, der nun seinen Kopf wie eine Schildkröte einzog, den Hals ins warme Jackeninnere einholend.
»Der Mörder ist eine Leseratte. Wer sonst sollte auf die Idee kommen, den Raum von innen verschlossen zu lassen? Wozu der Aufwand?«
Julius verstand nicht, was Altschiff ihm sagen wollte, aber diese Frage hatte er sich auch gestellt. Seine Antwort darauf sagte er nun dem Professor: »Um zu zeigen, dass niemand vor ihm sicher ist.«
»Jaja, schon klar. Bin ja auch nicht ganz blöd. Was ich meine, ist: Wie kommt er darauf? Und ich sag Ihnen die Antwort: Er hat es gelesen . Das Locked-Room-Mystery ist ein Klassiker der Kriminalliteratur. Immer wieder gern genommen. Heute allerdings nicht mehr so, momentan sind andere Sachen angesagt, aber es gab Zeiten, da konnte sich der geneigte Krimileser vor dieser Spielart nicht retten.«
Julius merkte, wie seine Zehen kalt wurden. Er versuchte sie in Bewegung zu halten. Konnten Zehen in Schuhen erfrieren? Würden sie wie Glas zerbrechen, wenn er die Socken auszog?
»Aber fragt die Polizei einen ortsansässigen Professor, der sich auf Kriminalliteratur spezialisiert hat? Nein. Natürlich nicht. Rennen lieber wie kopflose Hühner durch die Gegend.« Er ahmte mit angewinkelten Armen Flügelbewegungen nach und machte ein blödes Gesicht. »Wie auch immer. Es existieren einige klassische Auflösungen. Natürlich gibt es manchmal Geheimgänge, der Kamin ist da sehr beliebt, davon abgesehen wird das Fenster gern genutzt, aber auf Platz eins ist die Tür. An dieser wird herummanipuliert. Denn schließlich kann niemand durch Wände gehen. Oder glauben Sie das etwa?«
Julius
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