Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
frei. »Das hab ich zwar irgendwie geahnt, also den Grund, warum Hessland mich eingestellt hat, wollt’s aber nicht wahrhaben. Und wenn das jeder denkt, sieht das auch scheiße aus, als würde ich sonst keinen Job mehr finden. Und da hab ich’s geschmissen.«
Wie wichtig doch die Meinung der »Leute« war, dachte Julius. Für diese Provinzposse war sie ausschlaggebend gewesen. »Haben Sie denn schon einen neuen Job?«
»Nein.« Reifferscheidt kratzte weiter am freien Außenspiegel. »Sonner hat gesagt, er hätte was für mich, also ‘ne Stelle, wenn ich mal von Hessland weg wolle. Er hätte viel Gutes über mich gehört.«
»Gehört ihm die andere Jacke?«
Reifferscheidt nickte. »Eben hat er gesagt, er hätte nicht gemeint, dass sofort was frei wäre. Sondern, dass er mir Bescheid geben würde, wenn was frei wäre. Ich soll ihm schon mal die Bewerbungsunterlagen geben, aber zurzeit sehe es schlecht aus. Da kann ich mir echt was für kaufen!«
»Und bei der Sitzung, als Hessland abgesägt worden ist? Was ist da passiert?«
»Vorher hatte ich bei Hessland ja schon gekündigt. Sonner hatte mich am Abend extra gefragt, und plötzlich war da dieser neue Tagesordnungspunkt. Ein Misstrauensvotum oder so. Hessland fiel aus allen Wolken.«
»Haben Sie ihn seitdem noch mal gesehen?«
»Nein. Der guckt mich mit dem Arsch nicht mehr an. Ist doch klar, würde ich auch nicht. Das war zwar ‘ne miese Tour von ihm, aber immerhin hatte ich einen Job. Und ein guter Präsident war er auch. Konnte ja nix für die Morde, und das Krisenmanagement, das hätte der Sonner auch nicht besser hingekriegt, der Schwätzer.«
Julius konnte kein Mitleid empfinden. Reifferscheidts Problem in allen Ehren, aber das hatte er selbst verbockt. »Wissen Sie noch irgendwas über Grad oder Inge Bäder, das mir weiterhelfen könnte?«
»Wieso Ihnen weiterhelfen?«
Julius bemerkte erst jetzt, dass er die Deckung fallen gelassen hatte. Er nahm sie wieder auf. »Ich kann nicht mehr schlafen wegen der Morde, ich hab ständig Alpträume. Wenn der Täter nicht bald gefunden wird, werde ich verrückt.« Selbst eine unterbelichtete Nacktschnecke hätte diesen Blödsinn durchschaut. Aber ihm gegenüber stand Steve Reifferscheidt.
»Kann ich verstehen, geht mir auch so. Über die Bäder weiß ich nix, schrullige Alte halt. Aber Grad …« Er blickte Julius lange an. »Nein, da will ich nicht drüber reden. Das wäre kein Fairplay.«
»Kommen Sie, der Mann hat Sie verprügelt!«
»Na ja, stimmt, aber ich verpetz keinen, geht auch keinen was an. Und jetzt, wo er tot ist, will ich nichts Schlechtes über ihn sagen.«
Käme sonst seine untote Seele über ihn?
»Jetzt seien Sie mal nicht päpstlicher als der Papst! Glauben Sie, Grad hätte auch nur ein gutes Haar an Ihnen gelassen, wenn Sie statt seiner tot wären?«
Reifferscheidt nahm sich den Eisschaber und wandte sich wieder der Windschutzscheibe zu. Julius setzte nach.
»Der Mann hat sie verachtet, als Handwerker, als Mensch, und erst recht als möglichen Schwiegersohn. Eine komische Vorstellung von Nibelungentreue haben sie.«
Reifferscheidt hörte auf zu kratzen und setzte sich in seinen Wagen. »Danke für die Jacke. Aber wenn Sie mich noch einmal blöd wegen den Morden anquatschen gibt’s Ärger. Ich sag überhaupt nichts.« Er schlug die Tür zu, startete den Wagen und fuhr davon.
Julius wurde wütend. Wütend auf sich selbst. Wieso hatte er Reifferscheidt davonfahren lassen? Es gab Momente, in denen er sich wünschte, keine gute Kinderstube zu haben. Aber es lag ihm nicht, die Wahrheit gewaltsam aus anderen herauszuholen. Es musste doch auch anders gehen. Julius glaubte an die Kraft des Wortes.
Schließlich war der Mensch ein zivilisiertes Wesen.
Was dachte er da für einen Blödsinn?
Sein nächstes Ziel war Schalkenbach. Auf dem Weg dorthin wurden Julius’ Vorbehalte gegen die Intelligenz der menschlichen Spezies weiter bestärkt. Sein Audi diente mehreren von hinten heranbrausenden Wagen als Slalomstange auf der schneebedeckten Piste. Die Raser zogen vorbei, fatale Folgen für sich und die Slalomstange in Kauf nehmend. Julius hupte nicht gern, das Geräusch machte ihn aggressiv. Jetzt aber hupte er, als wieder einer kurz vor ihm einscherte und in der Kurve beschleunigte. Doch der Ärger schwoll nicht in gewöhnlichem Maß an. Etwas hinderte die Wut, sich voll zu entfalten. Julius wollte es sich nicht eingestehen, aber er war froh, unterwegs zu sein. Die Angst, vielleicht der
Weitere Kostenlose Bücher