Julius Lawhead 2 - Flammenmond
meine Beine trugen mich noch nicht. Mit den Augen verfolgte ich die Abdrücke von Ambers nackten Füßen, die überall auf dem sandigen Boden zu sehen waren. Erschreckend viele davon führten zur Tür und daran vorbei in den Flur. Ihre Schuhe standen neben meinen am Fuß des Bettes.
Sobald mir mein Körper wieder gehorchte, nahm ich die Gaslampe, drehte die Flamme höher und lief den Spuren nach. Im Flur brachen sie abrupt ab. Schleifspuren und die Umrisse von Stiefeln traten an ihre Stelle. Ich eilte die Stufen hinauf in das Obergeschoss. Die Haustür war abgeschlossen. Ich trat sie auf und schrie im nächsten Augenblick.
Das grelle Licht der Dämmerung brannte wie Feuer auf meiner Haut. Geblendet taumelte ich in den Flur zurück. Es war noch viel zu hell. Ich fluchte und rieb mir die Augen, bis die tanzenden weißen Punkte zu dunkelroten Schlieren verblassten.
Ich hielt mich im Schatten, aber ich hatte noch immer das Gefühl, zu verbrennen. Mit einiger Überwindung blickte ich auf meine Arme. Die Haut besaß die übliche Blässe, es zeigten sich keine Verletzungen. Ich wagte mich so weit vor, wie es der kriechende Schatten zuließ, und spähte hinaus in die Helligkeit.
Meine Befürchtungen bestätigten sich. Unser Dodge war das einzig verbliebene Fahrzeug. Coes Clan war abgehauen und mit ihnen war nicht nur Brandon verschwunden, sondern auch Amber.
Was war nur geschehen?
Ich lehnte mich gegen die Wand, schloss die Augen und atmete tief durch. Sobald ich ruhig genug war, öffnete ich die Siegel.
Der erste Eindruck, den ich bekam, war durchgeschüttelt zu werden. Es war stickig und unbequem, aber ich spürte bald, dass Amber unverletzt und frei vom Einfluss anderer Unsterblicher war. Diese Tatsache stellte mich vor noch mehr Rätsel, dann bemerkte sie mich.
»Julius, ich musste es tun!« , waren die ersten Worte, die ich empfing, und dann sah ich durch ihre Augen.
Wir saßen in einem dunklen Verschlag, der sich offensichtlich bewegte.
Zwei schwarze Leichensäcke lagen neben Amber. Sie hatte einen geöffnet. Brandons abgemagertes Gesicht ragte aus dem Plastik hervor. Amber strich Dreck von seiner Haut.
»Sie wollten abhauen, ich konnte ihn doch nicht einfach im Stich lassen, nicht nachdem ich gesehen habe, was Coe ihm angetan hat. Ich konnte …«
»Amber, das ist Wahnsinn. Wo bist du?«
»Ich glaube, sie wollen nach Page, aber wir sind nicht auf der 89. Wir fahren noch immer über irgendwelche Buckelpisten im Reservat.«
»Wer ist in dem anderen Sack, Darren? Spätestens sobald er wach ist, wird Coe erfahren, dass du da bist, wenn nicht schon eher. Brandon wird gleich wach. Kannst du irgendwie von dort verschwinden?«
Ich schaute mit Amber hinaus, doch die Fahrt war zu schnell.
»Scheiße!«, fluchte ich laut und schlug mit der Faust auf den Boden.
»Aber Coe darf mir nichts tun, oder? Das ist doch richtig? Vielleicht hört er ja auf mich, vielleicht …«
»Das ist ganz großer Bullshit, Amber! Körperliche Unversehrtheit, das heißt faktisch, er kann dir alles antun, solange du äußerlich heil bist!«
Ich spürte, wie die Angst in ihr anschwoll. Amber, und damit auch ich, starrten auf Brandon. »Ich weiß, wozu er fähig ist, Julius.«
»Coe soll mich kontaktieren, wenn er wach ist. Sag ihm das. Er muss mich anrufen.«
»Ich hab dein Handy.«
»Warum? Ach egal, dann gib ihm Chris’ Nummer. Ich komme, so schnell es geht.«
Ich brach das Gespräch mit Amber ab, ließ die Siegel jedoch ein Stück weit offen, um sofort zu erfahren, wenn sich ihre Lage änderte. Wie hatte sie nur so dumm sein können! Es war sinnlos darüber nachzudenken. Ich wusste nicht einmal, ob ich an ihrer Stelle nicht genauso reagiert hätte. Ich lief den Flur zurück und die Treppe hinunter zu der Kammer. Dort raffte ich unsere wenigen Sachen zusammen.
Christina schlief noch und würde frühestens in einer halben Stunde aufwachen. Darauf konnte ich nicht warten. Wir mussten los und Coe so schnell wie möglich folgen. Als ich ihren Sarg öffnete, schlug mir bestialischer Gestank entgegen. Christina lag zur Seite gekrümmt und hatte sich noch im Einschlafen die Nase zugehalten. Ich hob sie hinaus und wickelte sie sorgfältig in die Decke ein.
Das Handy aus ihrer Jacke nahm ich an mich.
Ich trug Christina nach oben und hinaus zum Wagen. Das Licht war mittlerweile so schwach, dass es mir nicht mehr allzu weh tat. Christina war empfindlicher. Ich legte sie als sorgfältig eingerolltes Bündel auf die Rückbank des
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