Julius Lawhead 2 - Flammenmond
gemacht hatte. Aber er trug keine Schuld.
Der Meister hatte ihn verwandeln lassen, ohne ihn zu kennen, nur weil er seinem längst verstorbenen Sohn zum Verwechseln ähnlich sah. Nach anfänglicher Gunst hatte sich Curtis eingestehen müssen, dass Steven nicht wie Paul war. Er war kein Ritter, kein Edelmann und er wäre es auch vor sechshundert oder mehr Jahren nicht geworden. Steven war fröhlich, ein sanftmütiger, aufrichtiger Freund, aber kein Held. Ich strich Steven über den Rücken und versuchte seinen Schmerz nicht an mich heranzulassen.
»Warum hasst er mich nur so?«, klagte er. »Warum?«
»Er hasst dich nicht, aber du musst seine Entscheidung hinnehmen, er ist dein Herr.«
»Du willst auch, dass ich gehe, Julius?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es spielt keine Rolle, was ich will. Ich habe geschworen, Brandon zu schützen.«
»Und was ist mit mir? Curtis hat mir das Gleiche geschworen!«
»Du bist nicht in Gefahr. Ich werde dabei sein, wenn du den Eid leistest. Alles wird nach den Regeln des Codex geschehen, der Eid wird dich schützen.«
»Und warum bleibt Brandon dann nicht einfach? Lass ihn dort bei Coe, er hat ihn gemacht!«
Ich drehte mich nach den anderen um. Amber war aus dem Wohnwagen gestürmt, aber ich fühlte ihre Wut, sie war ganz in der Nähe. Christina kauerte auf der Couch.
»Brandon ist Indianer, Steven. Für Coe ist er ein Mensch zweiter Klasse.«
»Na, dann wird er sich freuen, wenn er eine Rothaut gegen eine Schwuchtel eintauschen kann! Ihr schickt mich ausgerechnet zu einem rassistischen Bastard, Julius? Seid ihr wahnsinnig?«
Ich war erleichtert. Mit seiner Wut konnte ich besser umgehen als mit seiner Trauer. »Der Eid schützt dich. Brandon hat keinen Eid geleistet.«
»Das ist mir egal. Ich will bei Curtis bleiben, bei euch in L.A. !«
»Solche Dinge geschehen, Steven. So ist unsere Welt nun mal, und jetzt ist das Los auf dich gefallen. Curtis wird dich bestimmt zurückholen. Vielleicht ist es ja nur für einige Jahre, wer weiß.«
»Meinst du, er macht es wirklich?«
»Wer kennt die Zukunft, Steven?«
Steven wirkte etwas gefasster. Ich stand auf und wandte mich nach Christina um. »Coe erwartet uns.«
Mein Handy piepte. Es war die Nachricht von Curtis mit der Adresse der Zuflucht in Page. Ich streckte Steven meine Hand hin. »Komm, wir müssen los.«
Er sah zu mir auf, machte aber keine Anstalten, sich zu rühren.
»Ich fahre, auch wenn du hier sitzen bleibst.«
Steven atmete tief durch und erhob sich.
Christina öffnete die Wohnwagentür und ging voraus, wir folgten. Amber erwartete uns und starrte Steven ungläubig an. Der junge Vampir hatte sich gefangen und schien noch nicht einmal allzu wütend auf mich zu sein. »Steigt schon mal ein«, bat ich die beiden. Amber schirmte sich verbissen von mir ab und hielt die Siegel von ihrer Seite aus geschlossen.
»Dann ist es also aus?« Die Worte drohten mir die Kehle zuzuschnüren.
Amber nickte mit zusammengepressten Lippen.
»Ich wusste, dass du so reagieren würdest.«
»Du musst es nicht tun, Julius.«
»Ich werde den Austausch durchführen. Steven wird unglücklich sein, aber Coe muss ihn fair behandeln. Er kann ihn nicht quälen. Brandon stirbt, wenn er bei ihm bleiben muss, Steven wird leben.«
»Ich dachte, Steven sei dein Freund!«
»Steven ist mein Freund, und er wird es auf immer bleiben.«
Amber hielt die Arme verschränkt, ihr Körper bebte vor Wut. »Ich glaube das nicht! Wie kannst du nur so grausam sein? Du musst wirklich tot sein, Julius!«, spuckte sie mir entgegen. »Du hast kein Herz.«
»Ich kann nicht anders handeln. Ich habe ein Ehrenwort gegeben.«
Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte, nur dass ich Coes Zuflucht so schnell wie möglich erreichen und den Austausch hinter mich bringen wollte.
»Wir fahren nach Page und dann so schnell wie möglich zurück nach L.A. Ich denke, du musst uns trotz allem begleiten, Amber.«
KAPITEL 22
Sie erreichten den Ort, den Coe auf der Karte markiert hatte, nach einer knappen halben Stunde. Es war eine kleine Tankstelle, etwas abseits von der Bundesstraße. Brandon starrte teilnahmslos aus dem Fenster und kratzte hin und wieder über die Brandnarbe an seinem Hals, die nun endlich verheilte. Jede Erschütterung auf der Fahrt hatte ihn daran erinnert, was Coe und sein widerlicher Diener ihm angetan hatten. Er fuhr mit Darren und dessen Diener Benjamin im Wagen, die ihn nicht aus den Augen ließen. Coe hatte ihnen unsagbares Leid angedroht,
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