Julius Lawhead 2 - Flammenmond
sollten sie ihre Aufsichtspflicht verletzen und Brandon die Chance geben, wegzulaufen oder sich umzubringen.
Als sie auf der Rückseite der Tankstelle parkten, wurde Brandon klar, warum sie ausgerechnet hier jagen sollten. Auf einem kleinen Schild stand: JUDITH’S DINER . »Also, es läuft wie immer …« Darrens Worte drifteten an Brandon vorbei, bis er plötzlich einen schmerzhaften Schlag an der Kehle verspürte.
Augenblicklich war er hellwach, fletschte die Zähne und packte Darrens Diener am Hals. Dieser würgte überrascht und ließ sofort die Kette los. »Nie wieder«, drohte Brandon gefährlich ruhig, »oder ich reiß dir die Kehle raus, verstanden?«
»Ja«, keuchte Benjamin.
Dem Mann schien erst jetzt klarzuwerden, dass Brandon nicht einfach nur ein weiterer Leidensgenosse war, sondern ein Vampir, zweimal so alt und stark wie Darren.
»Was wolltest du sagen, Darren?«, fragte Brandon ruhiger.
»Wir teilen uns die Ausgänge, wenn jemand auftaucht oder abhauen will, schlägst du ihn nieder. Erinnerungen löschen wir, wenn Coe und seine Braut drinnen fertig sind. Wenn es denn welche zu löschen gibt.«
Wie früher, dachte Brandon bitter und entsann sich der zahllosen Nächte, in denen sie Angst, Schrecken und Tod verbreitet hatten.
Sie warteten einige Minuten. Menschen kamen und gingen, und Brandon beglückwünschte im Geiste jeden, der noch unbehelligt zu seinem Auto laufen und davonfahren konnte.
Dann erloschen die Lichter. Erst die an den Zapfsäulen und in der Nähe der Straße, Sekunden darauf die Parkplatzbeleuchtung.
Coe und Judith sprangen gleichzeitig aus dem Wagen und eilten auf das Gebäude zu, in dem als Einziges noch Licht brannte.
»Jetzt!«, kommandierte Darren. Brandon widersprach nicht. Es war Coes Wille. So schnell er konnte, war er am Haupteingang. Adrenalin flutete seinen Körper und drängte das Schamgefühl zur Seite. Selbst die schwere Kette, die hinter ihm herschleifte, war für einen Moment vergessen.
Brandon blieb in der halb geöffneten Tür stehen und klemmte sie mit dem Fuß fest, damit er die Außenanlage und die Räume gleichzeitig beobachten konnte.
Coe und Judith hatten noch nicht angefangen. Noch spielten sie mit ihren Opfern.
»Ich muss jetzt wirklich raus und mich um den Strom kümmern, Miss«, sagte der Kassierer gerade unsicher, während Judith ihm weiterhin Fragen über irgendwelche Sehenswürdigkeiten stellte, die auch nachts zu besichtigen waren.
Conway, der offensichtlich derjenige gewesen war, der das Stromproblem verursacht hatte, trat an Brandon vorbei in den Verkaufsraum. Im nächsten Augenblick brach die Hölle los.
Coe griff dem Kassierer ins Haar, riss ihn über die Theke, so dass seine Kehle bloß lag, und bot ihn Judith an. Diese schlug sofort zu, trank allenfalls ein, zwei Züge von dem schreienden Mann und reckte sich dann nach Coe, um ihn leidenschaftlich zu küssen.
In dem kleinen Raum brach Panik aus.
Ein junger Mann ließ seine Einkäufe fallen und floh zur Tür. Brandon sah ihn kommen, doch das panische Gesicht des Flüchtenden rührte ihn nicht. Er hatte seine Gefühle weit fortgeschickt. Die Zeit schien langsamer zu fließen, wie in Zeitlupe.
Während er mit einer Hand die Tür festhielt, fauchte er den Mann mit gebleckten Zähnen an. Als dieser geschockt in seinem Lauf innehielt, stieß er ihn einfach wieder zurück in den Laden. Ein Schaf wie die anderen, und das Schlachten hatte gerade erst begonnen.
Auf der Fahrt schwiegen wir die meiste Zeit über. Steven hielt sich tapfer und starrte aus dem Fenster.
Nach der halben Fahrtzeit bat mich Christina anzuhalten. Sie musste zur Toilette. Ich steuerte das Gespann an den Straßenrand und hielt in einer sandigen Ausbuchtung. Getränkedosen und zerbrochene Flaschen glänzten im Licht der Scheinwerfer. Nachdem Christina den Wagen verlassen hatte, warteten wir still auf ihre Rückkehr.
Dann fühlte ich plötzlich, wie etwas an meinem Innersten zerrte. Brandon!
Zum Glück standen wir, sonst hätte ich den Wagen womöglich wieder in einen Graben gesteuert. Ich öffnete mich, und dann erschienen die Bilder, schreckliche Bilder.
Blut. Blutende Menschen, Männer und Frauen mit zerrissenen Kehlen.
Brandons Hunger infizierte mich wie ein heftiges Fieber. Ich roch, was er roch, empfand, was er empfand. Blutrausch, Gier. Ich hörte Schüsse, Schreie und Coes Befehl, niemanden am Leben zu lassen.
»Wo seid ihr, Brandon?«
»Kurz vor Page, ein kleiner Laden, Tankstelle.«
Jemand stieß
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