Jung, blond, tot: Roman
entscheidenden Augenblicken kneifen?« »Was meinen Sie damit?« »Ich habe vorhin mit Berger gesprochen, er zieht den Schwanz auch ein. Keiner traut sich an Menzel ran. Warum? Nur, weil er alle möglichen Dreckärsche schmiert?« »Ja, vielleicht. Ich habe Ihnen schon heute mittag gesagt, Sie sollen vorsichtig sein. Ich bleibe bei so was gerne außen vor...«
»Hören Sie, wir beide sind schon einige Male aneinandergeraten...«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen, aber das hat nichts mit Menzel zu tun...« »Was soll's auch, lassen wir das Thema. Wenn Sie schon nicht mutig genug sind, es mit Menzel aufzunehmen...« Kullmer unterbrach sie: »Sie sind verrückt, wahrhaftig, das sind Sie! Na gut, ich werde sehen, was ich machen kann. Aber erwarten Sie keine Wunder. Und Sie sollten wissen, daß das Ihr Ende sein kann.« Er verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Mal sehen, ob ich später wenigstens in irgendeinem Büro unterkomme, oder wenn ich großes Glück habe, kriege ich vielleicht sogar eine Anstellung als Kaufhausdetektiv.«
»Witzbold! Solange wir es clever anstellen, kann Menzel uns gar nichts. Ich habe nicht vor, ihn einfach mit vagen Vermutungen zu konfrontieren, weiß Gott nicht, ich knöpfe ihn mir erst vor, wenn ich hieb- und stichfeste Beweise gegen ihn in der Hand habe. Keinen Moment früher. Ich werde auf Nummer Sicher gehen.«
Mittwoch, 19.00 Uhr
Berger, Schulz, Kullmer und Durant waren im Präsidium. Schulz hatte den Tag damit zugebracht, wegen Sexualdelikten einschlägig vorbestrafte Leute zu vernehmen, ergebnislos. Er hatte tiefe Ränder unter den Augen, wirkte erschöpft, trank einen Kaffee und rauchte eine Zigarette. Er bat Berger um einen Cognac. Berger zog die unterste Schublade seines Schreibtischs auf, holte die fast volle Flasche hervor. »Noch jemand?« fragte er. Kopfschütteln. Er schenkte Schulz' leeren Becher viertelvoll, dann sich ein. Durant las. Die Informationen, die Berger über Menzel hatte, waren brisantes Material. Schätzungen zufolge galt er als einer der reichsten Männer der Stadt, mit einem Vermögen von über hundert Millionen Mark. Seit mehr als zwei Jahren schon tauchten im Bundeskriminalamt immer wieder Gerüchte auf, daß er in Geldwäscherei und Waffenschiebereien involviert war, doch konnte ihm bisher nichts nachgewiesen werden. Bis jetzt war er einfach zu clever, außerdem hatte er sich einen Schutzwall von Gönnern geschaffen, Gönner, die jeden Eid für ihn ablegen würden und in Positionen saßen, die ihnen alle Rechte und Freiheiten gaben. Und Gönner, die in der Regel über jeden Zweifel erhaben waren und deren Wort bei den meisten als heilig galt. Es war bekannt, daß Menzel Verbindungen zum Mob unterhielt, doch auch hier fehlten eindeutige Beweise. Er war mit allen Wassern gewaschen, doch besonders schwer ins Gewicht fiel die Tatsache, daß er als möglicher Kandidat der CDU für die nächste Wahl zum Oberbürgermeister gehandelt wurde.
Als Durant im Bericht las, wer alles Menzel den Rücken freihielt, sank auch ihr der Mut. Es schien wirklich nur ein Kampf gegen Windmühlen werden zu können, aus dem Menzel als lachender Sieger hervorgehen würde. Als sie fertig gelesen hatte, legte sie die Notizen auf den Tisch zurück.
»Hab ich zuviel gesagt?« fragte Berger. »Nein, haben Sie nicht.«
»Und, wollen Sie sich immer noch mit ihm anlegen?« Die Kommissarin überlegte einen Moment, dann stand sie auf. »Ja«, sagte sie mit fester Stimme, »ich will es immer noch. Wenn Sie das Mädchen heute mittag gesehen hätten, wenn Sie gesehen hätten, in welch armseligen Verhältnissen die Familie haust, und daß dann so ein versauter Geldsack kommt und alles noch viel schlimmer macht... Ich will ihn haben, und wenn es nur dazu dient, daß die Öffentlichkeit von seinen Sauereien erfährt. Es sind schon andere Sümpfe trockengelegt worden. Ganz andere Sümpfe, an die sich auch sonst keiner ranwagen wollte.«
»Also gut, ich will Ihrem Tatendrang und Mut nicht im Wege stehen. Versuchen Sie Ihr Glück, nur rechnen Sie nicht auf meine Hilfe.«
»Wer kommt mit?« Sie blickte Schulz und Kullmer an. »Haben Sie denn schon Ihr sogenanntes hieb- und stichfestes Material?« fragte Kullmer. »Wenn nicht, dann tut es mir leid...«
»Was ich habe, reicht im Moment. Also, wer kommt mit?« Schulz nickte, erhob sich. 177
Mittwoch, 20.00 Uhr
Julia Durant stand zusammen mit Schulz eine Weile vor Menzels Haus. Es regnete seit dem Nachmittag wieder, die Temperatur war auf zehn Grad
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