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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Straße. Von einer Sekunde zur anderen änderte sich das Bild. Beiderseits hohe Bäume, dichte Büsche, großzügig angelegte Gärten, malerische, aufwendig gestaltete Häuser mit teilweise märchenhaften Holzfensterläden, ausladenden Dachterrassen, versteckt gelegenen Swimmingpools und auch hier, wie schon am Lerchesberg, viele Fenster durch Gitter geschützt, Überwachungskameras und andere meist unsichtbare Alarmsysteme wie Bewegungsmelder und Lichtschranken.
Sie hielt vor dem Haus Nr. 11. Vor der Dreifachgarage ein roter Ferrari, drinnen ein Jaguar und ein Mercedes. Ein uniformierter Mann steckte gerade mit seinem Kopf unter der Motorhaube des Jaguar. Ein Marmorplattenweg führte in einem Halbkreis zum Haus. Dahinter dehnte sich ein parkähnliches Gelände aus. Nur die Initialen W.P. für Werner Preusse prangten an dem massiven Eisen des hohen, kunstgeschmiedeten Tores.
Sie klingelte. Sekunden später knackte es im Lautsprecher, eine weibliche Stimme. Die Kommissarin nannte ihren Namen, den Grund ihres Kommens, das Tor öffnete sich automatisch und beinahe geräuschlos, und sobald sie durchgegangen war, schloß es sich wie von Geisterhand wieder. Eine Frau, vielleicht dieselbe, die eben über die Anlage mit ihr gesprochen hatte, stand in der Tür. Sie war groß, fast einsachtzig, sehr schlank, auffallend war ihr ausdrucksloses, faltenreiches Gesicht, obwohl Julia Durant nicht glaubte, daß sie die Vierzig bereits überschritten hatte. Sie trug ein schlichtes, bis über die Knie reichendes, schwarzes Kleid, das dunkle, glatt nach hinten gekämmte Haar war zu einem Knoten gebunden. Ihr Gesichtsausdruck war traurig, sie musterte Durant aus grauen, tiefliegenden Augen, die Regenwolken glichen. Die herunterhängenden Mundwinkel zuckten leicht, sie streckte die knöcherne Hand aus, sobald Durant bei ihr war. Die Frau hatte weder Busen noch Po, erste Krampfadern zeichneten sich unter den dünnen strumpflosen Beinen mit der unnatürlich weißen Haut ab. Durant schätzte ihr Gewicht auf höchstens fünfzig Kilo, zu wenig für eine Frau ihres Alters und ihrer Größe. »Das letzte Mal waren zwei Herren hier«, sagte die Frau mit dunkler Stimme, die in krassem Gegensatz zu ihrer mageren Gestalt stand. »Wenn Sie mir bitte folgen möchten.«
»Ich will nicht lange stören«, sagte die Kommissarin und folgte der Frau ins Haus. »Ich habe nur ein paar Fragen.« Die Ausstattung des Hauses war perfekt, eine Spur zu perfekt, fast steril. Der Raum, in den sie geführt wurde, strahlte die kalte Atmosphäre einer Leichenhalle aus, sie glaubte nicht, daß dies allein mit dem Tod von Carola Preusse zusammenhing. Hier war kein Leben, hier waren saubere Teppiche, saubere Fenster, saubere Möbel, keimfreie Luft. Ein Bär von einem Mann, mit riesigen, fleischigen Händen, hockte wie ein Pascha in einem wuchtigen Lederohrensessel, kleine Schweinsaugen blitzten interessiert auf. Er hatte einen gewaltigen Bauch und ein Dreifachkinn, das von vielen kleinen blauen Äderchen durchzogene, rotglänzende Gesicht zeugte von entweder zu hohem Blutdruck oder zuviel Alkohol oder von beidem. Neben sich auf einem gläsernen Beistelltisch hatte er eine angebrochene Flasche Cognac und ein halbgefülltes Glas stehen. »Bitte«, sagte Frau Preusse, auf die Couch deutend. »Dürfen wir Ihnen etwas zu trinken anbieten? Es ist sehr schwül draußen.«
»Nein, danke, sehr liebenswürdig. Ich bin wirklich nur gekommen, weil ich noch ein paar Fragen an Sie habe.« »Aber wir haben doch Ihren Kollegen schon alles beantwortet«, sagte die Frau und setzte sich. »Nun, es gibt noch die eine oder andere offene Frage. Zum Beispiel würde mich interessieren, ob Ihre Tochter oder Sie Maureen Nettleton kannten?« »Maureen Nettleton?« »Das Mädchen, das nach Ihrer Tochter...« Der Mann richtete sich im Sessel auf, nahm das Glas und schüttete den Inhalt in sich hinein. Er stieß leise auf, schenkte sich gleich nach. »Nein«, sagte er barsch, »Carola hat diese Nettleton nicht gekannt. Sie sind auf unterschiedliche Schulen gegangen, und auch sonst hat sie andere Freunde gehabt. Freunde, die zum Bekanntenkreis meiner Frau gehören!«
»Bitte, nicht jetzt!« flehte die Frau, ihre Haltung verkrampfte sich. »Das eine hat doch mit dem andern nichts zu tun. Carola ist tot, und daran ändert auch mein Bekanntenkreis nichts.«
»O doch, meine Liebe, das tut es! Sie müssen nämlich wissen, daß Carola keine Freunde hatte, keine richtige Freundin, keinen Freund, nichts! Sie

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