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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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war nicht im Tennisclub, sie ging nie schwimmen, sie fuhr nicht Rad, sie hörte keine moderne Musik, sie sah nicht mal fern! Wie oft hätte ich mir gewünscht, aus ihrem Zimmer Gitarrengejaule und Schlagzeuggehämmere zu hören, dann hätte ich nämlich gewußt, daß sie ein normales Mädchen ist! Aber sie war nicht normal, und das ist alles das Werk dieser Frau da!« »Werner...«
»Werner, Werner! Ich habe die Schnauze so voll«, brüllte er und stand auf, nahm sein Glas mit ans Fenster, ein Hüne von über einsneunzig und an die drei Zentner schwer. Mit gedämpfter Stimme fuhr er fort: »Diese verdammte Kirche hat mir meine Tochter gestohlen, schon lange bevor sie tot war! Ich hatte manchmal das Gefühl, sie glaubten, eine Sünde zu begehen, wenn sie nur lachten! Alles in dieser verdammten Kirche war Sünde! Schauen Sie sich ruhig einmal richtig hier um, was sehen Sie? Heiligenbilder, Kruzifixe, zehn oder zwanzig verschiedene Bibeln! Dies ist kein Haus, dies ist eine Irrenanstalt! Und sie«, er deutete mit dem ausgestreckten Arm auf seine Frau, seine Lippen bebten, sein Kopf wurde dunkelrot, »wenn überhaupt jemand schuld hat, dann sie! Sie hat Schuld auf sich geladen! Ich hätte nie etwas dagegen gehabt, wenn sie für ihre Religion gelebt hätte, aber sie mußte ja unbedingt Carola da mit hineinziehen! Meine Tochter ist gestorben, ohne auch nur im entferntesten etwas vom Leben gehabt zu haben! Sie hat in den ganzen gottverdammten sechzehn Jahren nicht eine einzige Freundin gehabt! Haben Sie so etwas schon einmal gehört? Es hört sich doch wahnwitzig an! Wie oft habe ich versucht, Carola vor ihr zu retten, aber dieser Kokon, den meine Frau seit ihrer Geburt um sie gesponnen hat, war zu fest für mich. Wissen Sie, daß Carola getötet wurde an einem Tag, als sie wieder einmal von ihrer Kirche heimkam?! Verdammte Religion, verdammte bigotte Bande!« Er hielt inne, leerte sein Glas, mit einem mal fing er an zu weinen und warf das Glas mit aller Wucht gegen den Schrank, wo es in tausend kleine Splitter zerbarst. Er hielt eine Hand vor die Augen und schluchzte, der massige Körper bebte. Seine Frau saß wie paralysiert da, blickte zu Boden. Durant schwieg betroffen. Sie wollte warten, bis der Mann sich gefangen hatte. So plötzlich wie er begonnen hatte zu weinen, so plötzlich hörte er auf.
    »Es tut mir leid«, sagte er, holte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und schneuzte sich, wischte die Tränen mit einer Hand weg, »ich heule wie eine kleine Memme, seit Carola tot ist. Ich besaufe mich und heule. Heulen und besaufen!« Er steckte die Pranken in die Hosentaschen, schob die Schultern nach vorn. »Sie war eigentlich das einzige, was mich am Leben hielt. Sehen Sie mich an, mich großen, starken Mann! Mit diesen Händen habe ich es zu etwas gebracht, ich habe mehr Geld, als ich jemals ausgeben könnte, mir gehören die drei größten Fuhrunternehmen im Rhein-MainGebiet, ich habe Häuser in Frankreich und Florida, aber ich habe schon lange keine Frau mehr -und jetzt ist auch noch meine Tochter tot! Alles, was ich aufgebaut habe, habe ich für sie und Carola gemacht. Und wie ist es mir gedankt worden?! Ist Ihnen bekannt, daß Carola unter Angstzuständen litt? Angeblich soll eine Kirche doch Geborgenheit bieten, aber Carola hatte Angst! Angst vor Krankheiten, Angst vor dem Tod, Angst vor der Angst! Seit zwei Jahren war sie in psychotherapeutischer Behandlung - übrigens das einzige Mal, daß ich mich durchsetzen konnte, weil meine liebe Frau auch gegen einen Psychologen etwas einzuwenden hatte! Zwei Jahre lang kannte ich die Ursache ihrer Angst, aber sie wollten nicht wahrhaben, wo die Wurzeln dieser Angst lagen, nämlich in dieser verdammten Kirche! Immer und immer wieder habe ich versucht, wenigstens ein klein wenig Einfluß auf Carola zu nehmen... Manchmal wünschte ich, ich hätte diese Frau nie kennengelernt, manchmal wünschte ich, ich wäre nur ein einfacher Arbeiter mit einem kleinen Gehalt und hätte meine Ruhe. Dann würde Carola noch leben. Verdammte Pest!!«
    Er ging zum Schrank, holte ein neues Glas heraus, schenkte sich wieder ein. Setzte sich, warf seiner Frau einen undeutbaren Blick zu.
»Wenn Sie so freundlich wären, mir die Anschrift der Gemeinde zu geben, ich würde gerne den einen oder anderen befragen. Reine Routine, versteht sich.« Der Mann diktierte, Julia Durant schrieb schnell mit. »Sie sagen, Carola hatte keinen Kontakt zu irgendwelchen anderen Mädchen oder Jungen ihres Alters.

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