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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Was ist mit Schulkameraden?« fragte sie.
»Nein, nicht einmal das. Sie besuchte eine Privatschule. Unser Chauffeur brachte sie jeden Morgen hin und holte sie nachmittags wieder ab. Sie verbrachte die meiste Zeit des Tages auf ihrem Zimmer oder, wenn das Wetter schön war, draußen im Garten. Nur dreimal in der Woche besuchte sie diese verdammte Kirche!« »Hatte sie dort irgendwelche außergewöhnlichen Kontakte?«
»Ja«, stieß der Mann zynisch hervor, »Bibelkontakte! Jeder einzelne von denen bigott bis ins Mark!« »Es tut mir leid«, sagte die Kommissarin und steckte Block und Stift wieder weg, »es hätte immerhin sein können, daß ich etwas erfahre, das mir weiterhilft. Ich will Sie jetzt aber nicht länger stören.« Sie erhob sich, jetzt stand auch die Frau auf.
»Ach was, Sie haben nicht gestört!« sagte der Mann. »Im Gegenteil, es ist ganz angenehm, mal wieder ein frisches Gesicht in diesem Totenhaus zu sehen! Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dieses gottverdammte Schwein zu finden, dann sagen Sie's. Ich würde zu gerne dabeisein, wenn Sie ihn schnappen, ich würde ihm die Nüsse eigenhändig rausreißen und ihm ins Maul stopfen!« »Wenn es noch etwas gibt...« »Ja, ja, wir stehen zu Ihrer Verfügung, ich zumindest. Und kommen Sie, wann immer Ihnen danach ist, damit wenigstens für ein paar Minuten Leben hier reinkommt! Warten Sie«, sagte er, hievte seine massige Gestalt aus dem Sessel und stellte das Glas auf den kleinen Tisch, »ich bringe Sie zur Tür.«
    Durant reichte der demütig dastehenden Frau die Hand. Ein kraftloser Händedruck, ein dahin gemurmeltes »Auf Wiedersehen«. Preusse begleitete sie zum Ausgang. »Es tut mir ein bißchen leid wegen eben«, entschuldigte er sich, »ich trinke in der letzten Zeit zuviel, und es gibt niemanden, mit dem ich reden kann, mit der da drin schon gar nicht. Ich weiß nicht, aber manchmal überkommt es mich einfach. Manchmal denke ich, beides zusammen ist nicht möglich, Geld und Glück. Es ist ein verdammtes Scheißspiel! Tun Sie mir einen Gefallen, schnappen Sie das Schwein!«
»Wir werden unser Bestes tun. Und danke, daß Sie sich Zeit für mich genommen haben.« »Ist doch selbstverständlich.«
Der junge Mann steckte noch immer unter der Motorhaube des Jaguar, Werkzeug lag auf dem Boden. Die Luft war mild, der durchdringende, kräftige Duft von Sträuchern und Blumen schwebte über dem Anwesen, Vögel, die aus den Bäumen lärmten. Julia Durant stieg in ihren kleinen Wagen, lehnte sich zurück, rauchte. Ein deprimierender Besuch. Ein Mädchen, das keinerlei Freunde hatte. Ein Mädchen, gefangen von der Mutter, wenn es stimmte, was der Mann behauptete, und es schien zu stimmen, die Mutter hatte nichts getan, um diesen Eindruck zu korrigieren. Ein Mädchen, die genausogut niemals existiert haben könnte. Ein Mädchen, das auf die denkbar grausamste Weise zu Tode gekommen war.
    Sie hatte nur selten Mitleid, denn, und das hatte sie frühzeitig lernen müssen, Mitleid behinderte im Kopf. Aber sie hatte Mitleid mit dem Mann, aber auch mit der Mutter, die beide auf ihre Weise am Leben gescheitert zu sein schienen.
Sie schnallte sich an, startete den Motor, legte den Gang ein und fuhr los. Die nächste Adresse lag nur fünf Minuten entfernt.
Ein in T-Form gebautes Anwesen, schattenspendende Bäume, eine übermannshohe Hecke, gepflegter, kurz geschnittener Rasen, ein sich monoton im Kreis drehender Rasensprenger. Julia Durant wurde von der Mutter von Maureen Nettleton, dem zweiten Opfer des Mörders, empfangen, sie war etwas kleiner als die Kommissarin, sehr attraktiv und gepflegt. In dem faltenlosen, glatten Gesicht waren das hervorstechendste große, braune Augen sowie ein voller, sinnlicher Mund. Sie trug das dichte hennafarbene Haar halblang und offen, auffällig war, daß sie statt schwarzer Kleidung eine dunkelblaue, schlichte Bluse und einen gelben Rock anhatte. »Bitte kommen Sie rein«, sagte sie. Zwei Kinder spielten schweigend im Garten, eine ältere Frau saß gedankenverloren in einer Hollywoodschaukel. Im Haus roch es nach Sauerkraut und Gebratenem, etwas fiel scheppernd zu Boden.
Julia Durant wurde in einen kleinen, spartanisch eingerichteten und von Sonnenlicht überfluteten Raum geführt. Auch hier ein schweres, schmiedeeisernes Gitter vor dem Fenster.
    »Ich will nicht lange stören«, sagte sie, während Frau Nettleton sich mit katzenhaften Bewegungen setzte und Durant einen Stuhl anbot. »Nur ein paar Fragen.« »Ich stehe zu Ihrer

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