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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Fernseh-Videokombination und Puppen über Puppen, aus Glas, Porzellan, aber auch Stoff und Plastik, aufgereiht in einem eigens für diese Sammlung gefertigten Schrank, der fast die gesamte der Tür gegenüberliegende Wand einnahm, ein an der Decke befestigtes indianisches Mobile bewegte sich sanft beim geringsten Luftzug. Tanzbilder an den Wänden, ein großes, gerahmtes Foto mit Autogramm von Margot Fonteyn, der großen Tänzerin, hatte einen Ehrenplatz über dem Bett, ein Ballettkostüm hing im Schrank.
    Das blonde Mädchen lag nackt auf dem fast unberührten Bett. Leere Augenhöhlen starrten zur Decke, die rechte Brust war sauber und fachmännisch abgetrennt worden, eine klaffende Wunde bedeckt von verkrustetem Blut, deutlich war das von innen gespaltene Schambein zu erkennen. Zwischen zwanzig und vierzig Messerstiche in Brust und Bauch, Bißwunden an der linken Brust und allem Anschein nach auch an der Vagina. Die Lage war die gleiche wie bei Carola und Maureen - auf dem Rücken, die Hände wie zum Gebet gefaltet, die Füße über Kreuz. Das Bild einer Heiligen drängte sich Durant auf, wenn da nicht die mit roter Schleife gebundenen Rattenschwänze ihrem Aussehen etwas unheimlich Makabres verliehen hätten. »Wer hat sie gefunden?« fragte sie leise, während sie dicht an das Bett trat und einen langen Blick auf die Tote warf. Ein Foto des Mädchens stand im Schrank, ein hübsches Mädchen, wenn auch mit etwas herberen Gesichtszügen als Maureen und Carola. »Ihre Mutter. Die Eltern und ihr Bruder waren in der Oper und sind erst vor einer halben Stunde zurückgekommen. Verfluchte Schweinerei! Der Hurensohn schreckt vor nichts zurück.«
»Die Spurensicherung soll jetzt reinkommen und nichts, aber auch gar nichts außer acht lassen. Jede Faser, die nicht hierhergehört, wird mitgenommen und analysiert. Sind die Eltern ansprechbar?«
»Wären Sie ansprechbar?« fragte Schulz zynisch mit abfällig herabgezogenen Mundwinkeln. »Aber bitte, versuchen Sie's. Am ehesten scheint mir noch der Bruder auf der Reihe zu sein, aber er hat seine Schwester ja auch nicht sehen müssen.« »Wie heißt das Mädchen überhaupt?«
»Annette Schubert. Ihr Vater ist der Schauspieler Herbert Schubert, Sie kennen ihn sicherlich.«
»Muß ich ihn kennen? Was soll's«, sagte sie, konnte den Blick nicht von der Toten lassen, »das ist die Handschrift von unserem Mann. Wir haben es hier mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit mit demselben Kerl zu tun, der auch schon die Preusse und die Nettleton erledigt hat. Oder?«
»Er hat sich auf jeden Fall mal was Neues einfallen lassen.« »Was meinen Sie damit?« »Er hat zum ersten Mal jemanden in dessen eigenem Haus umgebracht.« »Wie alt ist sie?«
»Achtzehn.«
»Sie ist bis jetzt die älteste. Warum war sie allein hier und nicht mit in der Oper?« »Keine Ahnung, ich habe bis jetzt keine Gelegenheit gehabt, danach zu fragen.« Die Kommissarin durchschritt das Zimmer, betrachtete lange und nachdenklich das Bett und die Lage des Mädchens. Sie ließ sich, um keine eigenen Fingerabdrücke zu hinterlassen, von einem der Männer der Spurensicherung dünne Plastikhandschuhe reichen, inspizierte kurz die Schränke und Schubladen sowie den Schreibtisch. Die 96 Spurensicherung begann mit der Arbeit. Der Fotograf machte mit einem 20mmWeitwinkelobjektiv erst Aufnahmen vom Zimmer, schließlich von der Toten, indem er sie aus allen nur erdenklichen Positionen fotografierte, von oben, von den Seiten, von vorne, von hinten; er schoß ein paar Fotos mit einem Teleobjektiv, bevor er die Polaroidkamera herausholte und einen Film vollknipste. Es wurden Fingerabdrücke von jedem möglichen Abdruckträger genommen, von den Holzmöbeln, der Standleuchte, dem Lichtschalter, der Stereoanlage, dem Fernseher, einer Wasser- und einer Colaflasche, den Puppen und Figuren, den Bilderrahmen, den Glasschiebewänden des Schrankes; Fasern, die unter Umständen nicht zu dem Mädchen oder in das Zimmer gehörten, wurden mit einer Pinzette eingesammelt und in kleine Plastikbeutel gesteckt. Mittlerweile war auch Frenzel, der Leichenbeschauer vom Institut für Rechtsmedizin, eingetroffen. Er war ungekämmt und verschlafen, hatte sich nur schnell Jeans und Hawaiihemd übergestreift, roch faulig aus dem Mund. Er zog sich Einweghandschuhe wegen der Aidsgefahr über und tastete die Tote vorsichtig ab. Er holte ein Thermometer aus seinem Arztkoffer, maß rektal die Temperatur des Mädchens. Nach zwei Minuten sagte er, der Tod

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