Jung, blond, tot: Roman
Reichtum mußte auf nächste Woche verschoben werden. Der Wetterbericht kündigte für Sonntag Hitze und Gewitter an, erst für Mitte der kommenden Woche sei mit einem Islandtief mit viel Regen, Wind und vor allem Abkühlung zu rechnen. Sie ging barfuß in die Küche, machte sich zwei Scheiben Brot mit Salami und Schinken, legte zwei saure Gurken auf den Teller, holte eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, auch wenn es hieß, daß Bier auf Wein oder Sekt sich nicht vertrug. Sie scherte sich einen Teufel darum, sie hatte Appetit darauf und fand, sie hätte diesen kleinen Luxus verdient.
Sie setzte sich in ihren Sessel, stellte den Teller und die Flasche Bier auf den kleinen Beistelltisch und aß. Sie mochte Dustin Hoffman, hatte viele seiner Filme gesehen. Sie trank drei Flaschen Bier, der Film war um zehn zu Ende. Erhob sich, war beschwipst, ließ alles stehen und liegen und ging schlafen.
Sie dachte kurz an Patanec und die Verabredung mit ihm schon um elf Uhr, wie dumm von ihr, sie hätte den Sonntag lieber zu Hause verbracht, aber vielleicht erfuhr sie ja ein paar Details zu Carola Preusse, die ihr weiterhalfen. Sie ließ sich auf das Bett fallen, blieb einen Moment mit von sich ge streckten Armen liegen, den Blick ziellos an die Decke gerichtet, dann rollte sie sich auf die Seite, zog die dünne Sommerbettdecke über ihren Körper. Sie schlief sofort ein.
Sonntag, 19. September, 0.45 Uhr
Das Telefon klingelte lange, bevor die Kommissarin wach wurde. Sie hatte erst geglaubt zu träumen, als sie sich dann aufrichtete, wußte sie, daß es kein Traum war. Sie kniff die Augen zusammen, ihr Kopf schmerzte. Sie hätte vielleicht doch etwas weniger trinken sollen, vor allem nicht Sekt und Bier so kurz hintereinander. Sie griff nach dem Hörer.
»Hier Berger. Tut mir leid, wenn ich Ihren wohlverdienten Schlaf unterbreche, ich muß Sie aber leider bitten, in den Nansenring Nr. 39 zu kommen. Bei Schubert. Es ist wieder passiert. Ich erwarte Sie in einer halben Stunde.« Julia Durant richtete sich kerzengerade auf, wischte sich mit einer Hand über die Augen. »Was? Heute? Mein Gott, kann dieses Arschloch nicht mal am Wochenende eine Pause einlegen?!« Hielt sich den schmerzenden Kopf, sagte: »Moment, bin schon unterwegs. Aber tun Sie mir bitte einen Gefallen, die Spurensicherung soll nicht anfangen, bevor ich alles gesehen habe.«
Sie legte auf. Sie war hellwach, strich sich mit beiden Händen durchs Haar, stand auf, ging ins Bad, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, zog Jeans, ein Sweatshirt und Turnschuhe an. Nahm ihre Handtasche, aß eine Banane, legte die Schale auf den Tisch. Ihr war schwindlig und übel, sie schimpfte mit sich, soviel getrunken zu haben, nahm, bevor sie das Haus verließ, ein Aspirin und hoffte auf schnelle Wirkung. 94 Sie brauchte fünfundzwanzig Minuten vom Anruf bis zum Tatort. Zwei Polizeiwagen und ein Mercedes vom ärztlichen Notdienst standen auf der beinahe menschenleeren Straße. Sie schob einen Kaugummi in den Mund, stieg aus. Sie zeigte einem Polizisten, der mit hinter dem Rücken verschränkten Armen am Eingangstor der Villa stand, ihren Ausweis, worauf sie durchgelassen wurde. Berger befand sich bei den Eltern im Wohnzimmer, Maria Schubert weinte still vor sich hin, der Vater tat, was viele Väter in einer solchen Situation tun, er betrank sich. »Wo ist sie?« fragte Durant. Berger deutete nach oben. »Die Treppe hoch, Sie werden es gleich sehen.« Das Haus glich in vielem den Häusern, die sie in den vergangenen Tagen zu sehen bekommen hatte. Ballsaalähnliche Wohnzimmer, teure Bilder an den Wänden, maßgefertigte Möbel, unpersönliche Eleganz und über allem der schale, erdrückend süßliche Geruch des Todes, der in Windeseile das Haus in Besitz genommen hatte. Sie eilte nach oben, der Gestank von Erbrochenem stieg in ihre Nase, leichte Übelkeit kam auf, als sie ihren Blick etwas weitergehen ließ, sah sie das Erbrochene vor der Badezimmertür am Ende des Flurs.
Zwei Kollegen von der Spurensicherung saßen, vom Gestank offenbar unberührt, zigarettenrauchend auf einem Lederzweisitzer auf dem Flur, musterten Durant mit prüfenden Blicken. Sie betrat das Zimmer, Schulz stand kopfschüttelnd vor dem Bett. Das Zimmer des Mädchens war sehr stilvoll und sehr persönlich eingerichtet, ein Nest, ein Refugium, die Decke in dunklem Blau gestrichen, die Wände hellblau, ein azurblauer Teppichboden schluckte jeden Schritt. Sie besaß eine sündhaft teure Stereoanlage, eine
Weitere Kostenlose Bücher