Jung, blond, tot: Roman
immer gehst...« »Wie gesagt, diesmal nicht. Ich habe einfach zu spät daran gedacht. Geht sie allein oder nimmt sie ihren Mann mit? Bei den beiden soll's ja mächtig kriseln.« »Soweit ich weiß, geht sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn. Annette bleibt zu Hause und bereitet sich mental auf ihren großen Auftritt morgen vor.« »O ja, ich habe gehört, daß Annette eine ganz große Rolle bekommen hat. Ich wünsche ihr viel Glück, verdient hätte sie's. Sie ist übrigens gerade bei mir in Behandlung. Mal sehen, was die gute Maria Schubert dazu sagt.« »Annette? Bei dir? Was hat die denn für Probleme?« Tomlin verzog den Mund zu einem Grinsen. »Weiber, sag ich dir! Kaum der Pubertät entwachsen und schon soll ich ihren Busen ein klein wenig vergrößern. Sie findet, unter dem Ballettkostüm sollte etwas mehr zu sehen sein. Es ist nichts Gravierendes, nur das Ausräumen eines kleinen Minderwertigkeitskomplexes.«
»Warum das denn? Sie ist noch so jung. Was hat sie davon, wenn sie jetzt schon an sich rumschnippeln läßt? Aber du hast wohl recht - Weiber!«
Sie tranken aus, erhoben sich und begaben sich zu ihren Autos. Das Gewitter kreiste weiter über Frankfurt, der Regen hatte aber nachgelassen. Tomlin stieg in seinen Wagen, kurbelte das Fenster herunter, winkte noch einmal, schlug den Weg zur Klinik ein. Patanec sah ihm nach, bis der Wagen hinter der Biegung verschwunden war. Er fuhr nach Hause, duschen, umziehen, er hatte eine Verabredung.
Samstag, 19.00 Uhr
Julia Durant hatte von Preusse den Namen und die Telefonnummer von Carolas Psychologen bekommen, Dr. Alexander Patanec. Sie wählte seine Nummer, der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Sie sprach auf Band und bat um dringenden Rückruf. Keine fünf Minuten später rief Patanec zurück. Sie bat ihn noch für den Abend um ein Gespräch, Patanec bedauerte, aber er habe eine Verabredung, die er unmöglich absagen könne, aber ein Termin am Sonntag morgen um 11.00 Uhr ließe sich einrichten, er machte aber keinen sonderlich begeisterten Eindruck.
Sie lehnte sich zurück, rauchte eine Gauloise, brach dafür die zweite Schachtel an diesem Tag an. Berger zog seine Jacke über, stopfte die Krawatte in die Innentasche, nahm einen letzten Schluck Kaffee. Draußen zogen grölend ein paar Fans der Frankfurter Eintracht vorbei, wahrscheinlich hatte die Eintracht mal wieder gewonnen. Der Himmel hatte aufgeklart, dampfende Straßen. »So«, sagte er ernst, »ich verziehe mich nach Hause. Und Ihnen rate ich das gleiche. Hoffen wir, daß es heute nacht ruhig bleibt. Bis morgen dann.«
Sie schloß das Büro ab. Sie war müde, die Bluse klebte an ihr, eigentlich klebte alles, sie fühlte sich unwohl, sehnte sich nach einer Erfrischung, einem gemütlichen Abend. Duschen, etwas essen, ein Glas Wein, fernsehen. Sie lief zu ihrem Wagen, öffnete die Wagentür, schloß die Augen und quetschte einen derben Fluch durch die Zähne. »Verdammte Scheiße! Große, gottverdammte Scheiße!« Fahrersitz und Teile des Beifahrersitzes waren durchweicht, am Boden des Autos eine Wasserlache. Sie hatte das Fenster wegen der Hitze offengelassen, das Gewitter zwar registriert, aber nicht mehr an das Fenster gedacht. Als sie sich setzte, war ihre Jeans im Nu durchnäßt. Sie startete den Motor und wendete. Es gab Tage, die mußte man einfach schnell vergessen.
Samstag, 19.00 Uhr
Julia Durant hielt auf dem Weg nach Hause am Hauptbahnhof, lief durch die B-Ebene, zog an einem Geldautomaten vierhundert Mark, kaufte in einem der teuren Delikatessengeschäfte zwei Liter Milch, ein Brot, Butter, etwas Wurst und Bananen. Drei Jugendliche standen in provozierender Haltung an einen Pfeiler gelehnt, verfolgten Durant mit ihren anzüglichen Blicken, pfiffen ihr hinterher, lachten, als sie Durants nassen Hosenboden sahen. Durant blickte sich kurz um, grinste, streckte den linken Mittelfinger nach oben, die Jungs klatschten und lachten noch lauter.
Zu Hause angekommen, schleuderte sie ihre Schuhe in die Ecke, stellte die Tasche mit den Lebensmitteln auf den Tisch, riß die Fenster auf, um die stickige Luft hinauszulassen, schaltete den Fernsehapparat ein, drückte aber den Ton weg und machte die Stereoanlage an, legte Bon Jovi in den CD-Spieler. Ihr war nach lauter harter Musik ihre Art, die gespannten Nerven zu beruhigen. Sie packte die Tüte aus, legte alles auf den Küchentisch, ging barfuß ins Bad, ließ Wasser in die Wanne laufen und entkleidete sich. Die nassen Sachen knüllte sie zusammen und warf
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