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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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sei vor mindestens vier, maximal jedoch fünf Stunden eingetreten, demzufolge also zwischen acht und neun Uhr am Abend. Die Leichenflecke seien bereits ausgeprägt, die Leichenstarre eingetreten, die Körpertemperatur betrug 33,4 Grad Celsius.
Der Fotograf videografierte jetzt jeden Quadratzentimeter des Zimmers. Durant überließ Arzt und Spurensicherung das Feld, begab sich hinunter zu den Eltern und dem Bruder des Mädchens. Der Junge machte keinen besonders verstörten Eindruck, sie schätzte ihn auf etwa sechzehn Jahre, er spielte auf einem Nintendo Gameboy. Vor ihm stand ein Glas mit einer goldbraunen Flüssigkeit, Whisky, wie Durant vermutete, eine Zigarette glimmte im Aschenbecher. Er sah kurz zu ihr hoch, als sie neben ihm stand, spielte weiter. Ein Arzt stand gebückt in der Mitte des Raumes, packte seine Tasche zusammen und verabschiedete sich mit leisem Gruß. Berger hatte sich einen Stuhl herangezogen und saß dicht neben dem Vater, einem rothaarigen, schlanken, mittelgroßen Mann mit einer ausgeprägten Hakennase in einem asketisch wirkenden Gesicht, ein Charaktergesicht, das oft im Fernsehen zu sehen war, Julia Durant erkannte ihn jetzt. Der Mann hielt zwischen seinen zitternden Fingern eine fast abgebrannte Zigarette, Asche lag auf seiner Hose und auf der weißen Ledercouch. Sein Blick ging ins Leere, ein Blick, den sie bereits bei der Mutter von Sabine Lindner gesehen hatte. Durant gab Berger ein kurzes Handzeichen und bedeutete ihm, mit ihr nach oben zu kommen. Sie blieben auf dem Flur außer Hörweite der Eltern stehen. »Was gibt's?« fragte Berger. »Ist Ihnen etwas aufgefallen, als Sie die Tote sahen?« fragte Durant. Berger sah sie einen Moment lang verwundert an, dann schüttelte er den Kopf.
»Dann kommen Sie und sehen Sie noch einmal. Es kann natürlich sein, daß ich mich täusche, aber ich würde gerne Ihre Meinung hören.«
Sie blieben am Eingang des Zimmers stehen, die Männer der Spurensicherung gingen sehr akribisch und wortlos vor. Berger blickte eine Weile stumm in den Raum, schüttelte erneut den Kopf. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worauf Sie hinauswollen.« »Sehen Sie sich die Lage des Mädchens an«, sagte sie und forschte in Bergers Gesicht nach einer Reaktion. Berger wirkte ratlos, dann zeigte sich ein leicht ungehaltener Ausdruck auf seinem Gesicht; mitten in der Nacht war er nicht zu Frage- und Antwortspielen aufgelegt. Sie half ihm auf die Sprünge: »Das Mädchen ist genauso grausam mißhandelt worden wie die anderen Mädchen. Er hat mit ihr genau das gleiche gemacht wie mit Carola und Maureen. Aber was tut jemand, der unverhofft mit einem ungebetenen Gast konfrontiert wird? Er wehrt sich! So jemand wird schreien, kratzen, um sich treten, Dinge umschmeißen. Ich kann aber bis jetzt nirgends in diesem Haus auch nur den geringsten Hinweis auf einen Kampf finden... Nicht einmal das Bett ist zerwühlt.« Berger unterbrach sie, fuhr sich mit einer Hand übers stoppelige Kinn. »Sie wollen damit andeuten, daß Annette Schubert ihren Mörder kannte? Daß sie ihn vielleicht arglos ins Haus gelassen hat, möglicherweise sogar eine Verabredung mit ihm hier hatte. Meinen Sie das?« Durant zuckte mit den Schultern. »Sagen wir, es könnte sein. Wenn ich das hier sehe, drängt sich mir der Verdacht auf, daß sie mit jemandem zusammen war, von dem sie absolut nichts befürchtete. Ein Freund, ein Bekannter des Hauses, jemand, den sie so gut kannte oder der in ihren Augen so integer ist, daß sie absolut nichts von ihm befürchtete. Jemand, dem man niemals einen Mord unterstellen würde. Jetzt stellt sich nur die Frage, wer das gewesen sein könnte.«
    Schulz hatte aus einiger Entfernung das Gespräch verfolgt, stieß zu ihnen und sagte nickend: »Das stimmt, als ich ins Zimmer gekommen bin, habe ich auch sofort gedacht, daß irgend etwas hier nicht stimmt. Es hat keinen Kampf gegeben.«
»Wir sollten jetzt die Eltern befragen«, sagte Julia Durant. »Ich werde das selbst übernehmen.« Sie machte kehrt, oh ne eine Antwort abzuwarten, ließ die beiden Männer einfach stehen und lief nach unten. Maria Schubert hatte ihr Gesicht in ein dickes Kissen vergraben und weinte still. Der Vater war leichenblaß, nur die roten Augenränder verrieten, was er durchmachte. Er leerte ein Glas Whisky. »Es tut mir leid«, begann die Kommissarin und setzte sich auf einen Stuhl, von wo aus sie die Familie gut im Blick hatte, »aber ich muß Ihnen leider ein paar Fragen stellen. Es wird nicht lange

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