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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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hätte ich gern gewusst, ob die von Lüttich auf Ihrer Fahndungsliste steht. – Lena Jenisch? Nein, die interessiert mich momentan nicht. – Aha. Na also, Herr Kollege, geht doch.«
    In Chur wanderte die Telefonnotiz von einer Hand zur nächsten. Am Ende griff ein Polizist nach einem Hörer und sagte: »Stellen Sie die Oberservation der Jenisch, Lena ein. Sie ist nicht mehr von Interesse. Konzentrieren Sie die Kräfte auf folgende Zielperson: von Lüttich, Melina. Informationen zur Person müssten innerst Kürze folgen.«
    »Lena Jenisch befindet sich in Bernina-Diavolezza. Sollen wir unsere Leute wirklich zurückziehen?«
    »Haben Sie nicht verstanden? Es ist offenbar eine Order von oben. Stellen Sie die Observation ein.«
     
    Die Schweizer Uhr zeigte zehn Uhr fünfundzwanzig, die Seilbahn hatte sich noch nicht in Bewegung gesetzt.
    Eine Gruppe aus Japan war zerrissen – die einen standenin der Seilbahn und rüsteten sich aus, als ginge es auf den Mond. Die anderen gestikulierten draußen und sahen verzweifelt zum Busparkplatz hinüber und winkten zwei Männern, die nur mühsam vorankamen. Der Gondelführer lehnte sich an die Innenbrüstung und wartete gelassen.
    Lena stand ihm gegenüber und beobachtete alle Nichtjapaner. Von wem stammte die Mail? Wer beorderte sie auf den Diavolezza?
    Eine Kaugummikauerin schob ihre blonden Haare unter eine weiße Skimütze. Ein Mädchen klopfte ihr unterdessen von unten gegen die jeansbedeckten Lenden und forderte Aufmerksamkeit.
    Eine Dame, von Beruf Österreicherin, belehrte ihren Mann über den Sonnenschutzfaktor und die Notwendigkeit, beim Eincremen stillzuhalten. Er, um die 60, hielt nur bei den Lippen still. Überraschend zärtlicher Augenblick.
    Zwei junge Pärchen mit Sonnenbrillen waren cool. Wie Zahnpastawerbung. Unterhielten sich übers Tauchen in den Kleinen Antillen und über den Trüffelersatz in St.   Moritz.
    Mit sieben Minuten Verspätung löste sich die Gondel aus der Verankerung und nahm Fahrt auf. Von 2093   Metern Höhe auf 2978.
    Die Japaner schienen sich zu einem Sir-Edmund-Hillary-Ähnlichkeitswettbewerb zu verkleiden. Schwarze U V-Brillen , als ginge es unters Solarium. Sobald die Gondel zum ersten Mal einen der Pfeiler erreichte und die Rollenbahn passierte, geriet die Gondel leicht ins Schaukeln. Alle Japaner gingen in die Hocke. Erdbebenerprobt   … Der Gondelführer drehte sich zum Fenster und starrte ins Panorama, um sich nicht vor Lachen wegschmeißen zu müssen.
    Weil die japanische Gruppe kurzfristig abtauchte, konnte Lena alle anderen beobachten. Die Blonde musste ihrerTochter einen Zopf flechten. Die Österreicher stritten sich über eine fettverschmierte Fotolinse. Und die vier Coolen waren sich uneins, in welchem Jahr Prinz Albert und Charlène geheiratet hatten – und ob es vor William & Kate war oder danach.
    Die Gondel glitt in den Betonbahnhof. Die Japaner mussten als Erste raus. Lena wartete, bis alle ausstiegen, zuletzt die vier Monegassen. Sie fand sich in einem Gewölbe wieder und versuchte, auf die Terrasse zu kommen. Wegweiser drinnen und draußen verwirrten sie.
Winterwanderung Sass
Queder. Klettersteig Piz Trovat
.
    Zwei Damen kamen ihr mit gefüllten Kuchentellern entgegen: »D’you spekk En’lishsh?«
    Lena schüttelte den Kopf. Sie sah, wo es zur Terrasse ging. Wunderschönes Panorama, wahrscheinlich, dachte sie und blickte sich weiter um. Schon war sie hinter der Hütte. Im Schnee parkte ein
Arctic Cat
– die vorderen Kufen standen auf Schotter, die Ketten hinten, mit dem Aufbau der gelben Warnleuchte, im Schnee. Gelb-schwarze Stangen im Schnee markierten, wie weit man gehen durfte.
    In einiger Entfernung stand ein Mann, schaute zum Berg hinauf und schmauchte seine Pfeife. Sie erkannte in ihm den Gondelführer. Oder sagt man Gondoliere?
    Die drei Gipfel, zu denen sie blickte, lagen dicht beieinander, sie hätten auch die Krallen eines Monsters sein können, das über das Gebirge griff und sich im Gletschereis festhakte.
    »Der Piz Palü«, sagte ein Mann neben ihr.
    Lena sah eine Sonnenbrille und ein hartes Kinn.
    »Sieht aus wie ein Katzensprung da hoch, nicht wahr? Aber es ist noch mal ein Kilometer bis ganz oben. Der Piz Palü lässt sich nicht so leicht kriegen.«
    Sie sah ihn missmutig an.
    »Lena, nehme ich an? Wir hatten – Kontakt. Bist du bereit, können wir uns unterhalten?«
    Sie wollte etwas sagen, nickte aber nur.
    Er lief neben ihr um das Haus herum. An der Holzwand lehnten vier Stöcker. Lena kannte

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