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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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und dass sie einmal nach der Heizung habe sehen wollen, weil sie gelegentlich aussetze, wenn tags zuvor das Cheminée betrieben wurde.
    Sie spielt ihre Rolle gut. Christine scheint es ihr abzunehmen, dass sie beim Hotel des Ospizio Bernina arbeitet und sich gelegentlich um die Hütte kümmert.
    Oder – die beiden spielen
mir
etwas vor. Sie kennen sich nicht erst, seit Pia hier angekommen ist. Christine war nicht überrascht, mich in der Schweiz zu treffen. Warum nicht? Weil Pia sie vorgewarnt hat?

50
    Liebe Lena,
     
    Du wirst mich nicht kennen. Ich bin am Institut Zucker tätig,
so wie Du auch manchmal. Ich habe gehört, dass Du in
Schwierigkeiten steckst. Man wirft Dir einen Mord an einem
Chefarzt in Zürich vor. Man liest überall darüber, die Phantomzeichnungen
hast Du bestimmt gesehen. Ich kenne Dich
nicht, vielleicht sind wir uns am Institut über den Weg gelaufen. Ich würde Dir gern helfen.
    Ich bin auf Urlaub in der Schweiz. Na ja, zur Hälfte ist es
dienstlich. Wenn ich mich nicht getäuscht habe, bist Du neulich
mit der Berninabahn gefahren. Ich schlage Dir vor, dass
wir uns treffen. Ich meine, ich habe genügend Entlastungsmaterial. Das sollte reichen, Dich vom Mordverdacht zu befreien.
    Darüber hinaus glaube ich auch nicht an Deine Verstrickung
in den Tod von Jan Sikorski. Es existieren Hinweise,
dass der Unfall nicht bloßes Schicksal war. Damit wirst Du
Dich auch von diesem Vorwurf reinwaschen können.
    Du wirst fragen, woher ich das alles weiß. Ich kenne Prof.
Lascheter. Er ist weitaus gefährlicher, als die meisten Menschen
denken. Er hat ein Forschungsziel vor Augen, das für
andere nicht nachvollziehbar ist, ihn jedoch hat es in den
Bann geschlagen. Man könnte sagen: Er geht über Leichen.
Sikorski ist der erste Fall, Dr.   Brogli der zweite.
    Da sind wir bei der Erklärung, weshalb ich nicht selbst mein
entlastendes Material an die Polizei gebe. Ich habe schlichtweg
Angst vor Lascheter. Ich bin einer von höchstens einem Dutzend
Menschen, denen er noch vertraut. Er würde mich sofort
als den Verräter identifizieren und ausschalten. Meine Bedingung, Dir zu helfen, ist darum absolute Verschwiegenheit.
Lösche diese Mail. Ich gebe Dir die notwendigen Informationen, aber halte mich unbedingt heraus!
    Wenn Lascheter hinter Schloss und Riegel sitzt, werde ich
als Zeuge aussagen. Auch darauf kannst Du Dich unbedingt
verlassen.
    Begebe Dich an diesem Montag ins südliche Engadin. Das
erreichst Du mit der Berninabahn, die Du kennst. Nimm von
der Station Bernina-Diavolezza die Seilbahn um 10   :   23 hinauf
zum Diavolezza. Gehe nicht in das Restaurant, sondern
bleibe auf der Terrasse. Ich werde Dich ansprechen. Da sind
immer Touristen, Du musst also nichts befürchten.
    Wenn ich allerdings den Eindruck habe, dass Du jemanden
mitbringst oder vorgeschickt hast – von der Polizei ganz zu
schweigen   –, kannst Du jede Kooperation und Hilfe vergessen. Ich habe es nicht nötig, mich in Gefahr zu begeben. Für
Dich hingegen könnte es die einzige Chance sein, der Strafverfolgung
und Lascheter zu entgehen.
    Behalte einen kühlen Kopf. Sei pünktlich. Komm allein. Lösche
diese Mail. Nimm meine Information entgegen und gib
sie nach unserem Treffen der Polizei, ohne mich zu erwähnen.
Das ist alles. Dann endet der Alptraum für Dich. Ich wünsche
es Dir, denn Lascheters Methoden hast Du nicht verdient.
    Bis dann.
     
    »Könnten Sie Hochdeutsch sprechen?«, rief Melchmer in den Hörer. »Also, ohne diesen Dialekt jedenfalls. Er ist wunderwunderschön, aber ich kapiere nichts, verstehen Sie? – Ja, gut. – Nein, natürlich können Sie das, Herr Kollege. Ichwill ja nur wissen: Haben Sie eine Fahndung eingeleitet nach Melina von Lüttich oder nicht?«
    Der Schweizer Kollege hielt es für erforderlich, eine differenzierte und nicht scherenschnittartige Antwort zu geben.
    »Das ist alles hochinteressant«, sagte Melchmer und zwang sich, ruhig zu bleiben. »Die Leitung ist schlecht, Ihre Stimme kommt brüchig rüber, und der Dialekt macht mir zu schaffen. Also bitte, ist mein Hinweis auf Me-li-na-von-Lüttich angekommen bei Ihrer Kantons-   … dingsda, oder nicht? – Was heißt, was meine ich mit Dingsda? – Bitte   … «
    Die Leitung klang, als falle ein wagenradgroßer Schweizer Käse in eine Gruppe runder Blech-Mülltonnen.
    »Hallo? Hallo, Chur? – Was ist denn nun? – Ja, noch mal: Ich bin ein blöder deutscher Piefke von der Polizei. Ich kann weder Rätoromanisch noch Italienisch, und trotzdem

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