Jung genug zu sterben
habe dir bei Noëlle geholfen, weil du mir erzählt hast, es sei ein Unglücksfall. Wir müssten Lascheter rausboxen. Das habe ich gemacht. Ich habe auf dich gesetzt, Fogh, weil ich dachte, du bist die Nummer eins bei Lascheter – und wirst ihn überflügeln. Und zwar aufgrund deiner Leistung. Und nicht, weil du Leute umbringst.«
Fogh packte sie am Genick. Nicht zu fest, aber es war auch keine liebenswürdige Umarmung. »Ich mache das nicht zum Spaß. Es kommt vor, dass sich einem Leute inden Weg stellen, wenn man ein klares Ziel hat. Wenn du damit plötzlich ein Problem hast, darfst du nicht erwarten, dass wir unser Ziel erreichen! Außerdem habe ich alles so gemacht, dass es nicht leichter für dich sein kann. Die Mixtur für Melina ist so portioniert, dass sie kaum im Blut nachweisbar ist, allenfalls ein paar Reste von Anti-Epileptika. Man wird glauben, Melina habe einen Anfall bekommen und sei medizinisch versorgt worden. Nach 72 Stunden sind selbst diese Reste kaum nachweisbar, wenn man nicht gezielt danach sucht.«
»Schon wieder Epilepsie? Das dürfte auch dem Letzten auffallen.«
Fogh drückte ihren Kopf nach vorn. »Wir – haben – keine – Zeit! Mach das und denk dir was Passendes aus. Du musst dich nicht um Lena kümmern. Das mache ich. Und Lascheter knöpft sich ihren Vater vor.«
»Ihren Vater? Die Kreise werden immer größer, merkst du das nicht?«
Er ließ sie los. »Du hängst mit drin, Christine. Nicht nur wegen des Mordes an Noëlle.«
»Mord? Ich habe nichts gemacht außer … «
»Jeder ein kleines Stück«, sagte Fogh. Es klang nach Genuss. »Wenn du uns hängenlässt, werde ich der Polizei den Tipp geben, dass du die verantwortliche Gruppenleiterin warst, als Jan Sikorski verunglückte. Ich werde ihr sagen, dass Jan zur Testreihe T44 gehörte. Und dass es bei diesen Jungen zu auffällig häufigen Anfällen gekommen ist – ja, zu einer Häufung tödlicher Unfälle.«
»Dann reitest du dich mit rein.«
»Lascheter und dich«, sagte er. »Im Übrigen: Wenn ich es der Polizei nicht sage, tut Lena es. Schließlich hat sie das alles gesehen und herausbekommen. Lascheter hat kein Kontrastmittelgespritzt, er hat die T44er so lange vollgepumpt mit seinen Cocktails, damit ihre Hirnmasse schneller weiß wird – und dabei hat er den Tod billigend in Kauf genommen. Ich habe die Protokolle, die ich vernichten sollte, gut aufgehoben. Für den Fall, dass Lascheter mir an den Kragen will.«
Christine wurde leiser. »Lena – das verstehe ich. Wenn ihr endlich wisst, wo sie ist, gut. Die redet ganz sicher. Aber Melina, das ist nicht nötig.«
Lothar Melchmer hatte den Petersilienbusch vom Käsebrötchen entfernt und betrachtete die weiße Stelle, die sich nun dort auf dem Käse ausbreitete, wo die nasse Petersilie gehockt hatte. Die Käsescheibe wellte sich noch nicht, aber Motiv und Gelegenheit waren gegeben. Quer durch die Kantine keuchte der dicke Fipps.
»Lothar, dich suche ich überall. Ich wusste: Irgendwo muss er stecken.«
»Und?«
»Ein Anruf von der Schweizer Polizei. Sie stehen direkt vor dem Zugriff. Es geht um dieses Mädchen.« Er kämpfte mit Lesebrille, Zettel und Schnappatmung. »Melina von Lüttich. Sie sagen, Sie haben eine Jugendgang oder Jugendgruppe ausgemacht, und zwar in Sankt Moritz. Jetzt wissen sie nur nicht, wer von den Mädchen die Zielperson ist, die wir suchen.«
»Zugriff, was soll der Quatsch?«
»Sie sagen, ursprünglich hätten sie eine Jenisch, Lena auf dem Kieker gehabt. Dann wäre von uns – oder von dir – die Order gekommen, die Jenisch fallenzulassen und diese Melina zu jagen. Also, ›jagen‹ haben sie nicht gesagt. Die sind ja eher etepetete.«
Melchmer garnierte das Brötchen wieder mit dem Petersilienstrauß. »Lena fallen lassen und Melina jagen? Da geht ja alles durcheinander!«
»Würdest du denen ein Foto von der Zielperson schicken, Lothar? Dann kann ich den Zettel hier wegwerfen.«
»Nee, kann ich nicht. Ruf die Schweizer Garde zurück. Sag ihnen, dass kein dringender Mordverdacht gegen Melina von Lüttich vorliegt. Zugriff! So was gibt’s doch gar nicht!«
»Willst du nicht lieber selber …?«
»Nee. Sag ihnen, es ist ein echtes Missverständnis. Wenn sie Lena suchen, schön. Das haben sie offenbar eingestellt, oder wie? Aber Melina von Lüttich muss man nicht wie eine Terroristin festnehmen.«
»Also sollen sie sie von der Fahndungsliste nehmen?«
Melchmer stöhnte. »Ich komm schon mit. Haste schon
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