Jung genug zu sterben
gefrühstückt? Lecker Käsebrötchen.«
Herrn Oberst Karl Harkmann – KaPo Graubünden
Sehr geehrter Herr Kommandant,
offensichtlich ist der Sachverhalt zur deutschen Staatsbürgerin
VON LUETTICH, MELINA
* 3. 3. 1988, verunfallt. Die
Observation ist nach aktueller Einschätzung ohne Sinn und
somit einzustellen. Bitte dies bei dem laufenden Bündner Einsatz
zu berücksichtigen. Die korrigierte Lageeinschätzung hat
meine EZ fedpol soeben erst von der deutschen Polizei erhalten. Hingegen bitte ich gemeinsam mit der HA Bundeskriminalpolizei, die Unterstützung beim Fahnden nach der
Deutschen
JENISCH, LENA
* 25. 2. 1997 zu forcieren, da die
Person nach dem Hinschied des
DR
.
BROGLI
,
CARLO
, Kanton
Zürich, als Zeugin oder Täterin in Frage kommt. Etwaige
Äußerungen subalterner Kräfte, diese Anstrengung einzustellen
,
entbehren jeder Grundlage. Detailklärung erfolgt derzeit
auf Ebene der Polizeiattachées.
Vize-Direktor Dr. Luigi Bürger
Bundesamt für Polizei – fedpol
Hauptabteilung Internationale Polizeikooperation
HA-IPK
»Guido – du kannst deine Leute in St. Moritz abziehen.«
»Wegen der Lüttich? Wir haben sie lokalisiert! Sitzt im Kino an der Via Maistra.«
»Schön und gut, saubere Recherche. Trotzdem: Abziehen, sage ich. Anweis von oben.«
»Roger! Wir ziehen ab. Sonst noch was?«
»Nee, wieso?«
55
Sie konnte die Beine nicht ausstrecken. Platz dafür wäre genug gewesen zwischen den Kisten. Aber es schmerzte. Sie hatte das Gefühl, die Wunden würden aufreißen, wenn sie nicht in der gekrümmten Haltung verharrte. Wäre Licht gewesen in dem Raum, dann hätte sie an sich heruntersehen können. Die Kleidung rotbraun verschmiert und verklebt, Tücher und Kleidungsstücke um die Beine gewickelt. Embryonalhaltung. Voll mit getrocknetem und sickerndem Blut.
Er findet mich, oder er findet mich nicht, dachte sie. Für einen kurzen Augenblick wusste sie nicht mehr, ob sie sich vor Fogh versteckte oder vor ihrem Vater Jenissej. Der eine wollte sie umbringen, der andere sollte sie retten – aber wer war wer?
Ihr Handy hatte Lena weit genug von sich weggeschleudert, es musste in der Dunkelheit liegen und war wahrscheinlich bei dem Wurf beschädigt worden. Sie wollte verhindern, irgendwann schwach zu werden und eine Nummer zu wählen. Die 117 für die Schweizer Polizei etwa. Oder ein Krankenhaus. Oder Jenissej direkt.
Sie stand auf der Fahndungsliste als mutmaßliche Mörderin von Dr. Carlo Brogli. Das machte ihr von Anfang an weniger Angst. Die Polizei, Untersuchungshaft, Gerichte … das war nicht das Problem. Das Problem war Fogh mit seiner Bande vom Institut. Lascheter und seine Testgruppen. Lena hatte den angeblichen Unfall von Jan Sikorski mit angesehen, diese Kaltblütigkeit in den Reaktionen der Gruppenleitung.
Wann war das noch mal? Konzentriere dich. Gestern? Oder Monate her?
Lena hatte immer wieder das Gefühl, aus Träumen aufzutauchen.
Bin einfach nur müde. Geschwächt. Das ist keine Ohnmacht, das ist Erschöpfung. Ich muss was trinken.
Wen immer sie kontaktierte – Fogh würde davon Wind bekommen. Er witterte nur auf den Moment, Lenas Spur auszumachen. Denn der wusste, dass sie die Zeugin mehrerer Morde war. Sie versuchte, die Ereignisse zu sortieren, die Personen an einer Hand abzuzählen, aber mittendrin vergaß sie, was sie sich gefragt hatte.
Ein Stich im linken unteren Bein.
Ich hab’s doch gar nicht bewegt, wieso …?
Sie merkte, dass es ein Krampf war. Das Bein bewegen? Dann riss die Wunde. Es nicht bewegen, dann krampfte es noch mehr. Sie versuchte, einen Schrei zu unterdrücken.
Ihr Gesicht lag jetzt nicht mehr auf der Jacke, sondern auf dem Boden, der rau war und ihre Stirn aufschürfte.
Ich habe geschlafen. Von einem Krampf geträumt.
Es ist Hunger, oder tut mir der Magen noch von den Tritten weh? Was für eine Ironie, ausgerechnet hier zu hungern, inmitten von Feinkost. Wichtiger ist, dass ich trinke. Wie viele Stunden sind vergangen?
Habe ich das Handy wirklich abgeschaltet, bevor ich es an die Wand geworfen habe? Nicht, dass Fogh mich orten kann. Der bringt es fertig, die Polizei darum zu bitten, und wenn sie mich festnehmen, denkt er sich einen Unglücksfall aus, und ich kann leider nicht mehr lebend an einem Gerichtsverfahren teilnehmen.
Was ist, wenn es eine Blutvergiftung ist? Die Metallspitzen,die direkt … Und die Wunde habe ich nicht versorgt, nur abgebunden.
Sie spürte etwas Warmes in ihrem Gesicht.
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