Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
Vom Netzwerk:
PALAU.«
    Unwillkürlich huschte Melina ein Lächeln übers Gesicht. Sie hatte noch nie gehört, dass jemand PALAU so entschieden auf der ersten Silbe betonte wie die Schweizerin. »Wieso meinen Sie das?«
    »Du. Wir duzen uns, ja? Die gemeinsame Sorge um einen geliebten Menschen verbindet nun mal.«
    Melina wollte ablehnen, aber gegen die Begründung wollte sie nicht angehen. »Gut, wieso also der Verdacht mit dem PALAU?«
    »Weil sie davon gesprochen hat. Sie wollte immer mitmachen.Und vor vierzehn Tagen ist eine Gruppe aufgebrochen. Lustigerweise in die Schweiz. Mit mir wollte sie da nicht hin. Mit Jenissej sowieso nicht mehr.«
    »Aber dann müssten die vom PALAU davon wissen.«
    »Die streiten es ab. Ich glaube aber trotzdem daran.«
    Melina sah Pia an. Sie wusste nicht, was sie damit anfangen sollte. »Wen hast du gefragt?«
    »Alle.« Sie nannte einige Namen. Melina kannte die meisten.
    »Aber wieso sollten sie leugnen, dass Melina sie begleitet?«
    »Vielleicht wissen sie es auch nicht. Lena könnte ihnen zum Beispiel auf eigene Faust gefolgt sein.«
    »Aber dann   … « Der Entschluss stand schon fest, bevor sie ihn formulieren konnte. Sie sah auf die Uhr. »Ich müsste eigentlich in die Uni   … Ich spreche mit den Leuten. Wenn ich mich beeile, bin ich mittags zurück. Können wir die Handynummern austauschen, und Sie   … und du sagst mir Bescheid, wenn ihr Vater etwas herausbekommen hat? Und umgekehrt natürlich.«
    »Du kannst sie auch von hier aus anrufen, oder?«
    Melina notierte Pias Telefonnummer vom Handydisplay. »Wie soll ich sagen? Das sind alles Pädagogen.«
    Pia lachte schallend. »Okay, verstehe.«
    Jetzt musste auch Melina lachen. Entlastung. »Nein, ich meine, sie können das schon   … Aber sie wollen so selten. Und ich kenne einige von ihnen gut. Wenn es stimmt, was du annimmst, müssten sie mir etwas sagen.«

10
    »Das sind sie.«
    »Sehe ich«, raunte Hans-Henrik Fogh. Er hatte sich für den Kittel entschieden.
    Seine blonde Kollegin Elke trug einen dunkelbraunen Hosenanzug. Zuerst wollte sie Schwarz tragen, aber ihre Mutter war mit der Weisheit gekommen:
Übertrumpfe nie
die Trauer der Angehörigen
.
    Die Angehörigen erschienen in Schwarz, genauer: Vater und Mutter Sikorski. Sie standen verloren im grünen Wald der Marmorsäulen des
Instituts Zucker
.
    »Los, komm«, sagte Fogh.
    »Ich hasse das.«
    »Ich wäre auch lieber auf ’ner Orgie.«
    Die Frau ignorierte den Spruch, zu oft hatte sie so etwas von Fogh zu Ohren bekommen.
    »Herr und Frau Sikorski?« Sie streckte den beiden die Hand entgegen. »Ich bin Elke Bahr, die Pressesprecherin des Instituts. Dies ist Herr Doktor Fogh. Er kann uns etwas zu den medizinischen Hintergründen sagen.«
    »Das ist unnötig«, sagte der Mann. »Jan ist tot. Wir brauchen keinen Arzt mehr.«
    »Herbert, komm, lass gut sein. Ich danke Ihnen, Frau   … Ja, wir, wir sind natürlich noch ganz   … Das kam ja alles sehr plötzlich.«
    Elke Bahr nickte mitfühlend. »Für uns ja auch. Es ist ganz schrecklich, was Ihrem Sohn Jan zugestoßen ist. Ich bin noch immer   … wir sind völlig   … schockiert.«
    Die Eltern waren braungebrannt. Fogh stellte sich die beiden in alpinaweißen Klamotten vor, in einer Strandbar, jeder mit einer Piña Colada. Und Schirmchen drin.
    »Ich möchte Sie zu einem Kaffee oder kalten Getränken in mein Büro bitten. Sie haben als Eltern das Recht, zu erfahren, was mit Ihrem Jungen geschehen ist. Das ist vermutlich erst einmal kein Trost für Sie. Aber die Ungewissheit wäre noch weniger auszuhalten. – Würden Sie mir bitte folgen?«
    Fogh machte den Türöffner. Elke Bahr ging zwischen ihm und dem Ehepaar, das sie sich jünger vorgestellt hatte. Immer wieder drehte sie sich zu den beiden um und lächelte. Eine Mischung aus Aufmunterung und Kontrolle.
    »Hast du gehört, Margot, das ist die Pressetante von dem Laden! Was sollen wir denn mit der?«, hörte sie Herbert Sikorski zischen.
    »Ich will wissen, was passiert ist. Jetzt reiß dich zusammen. Ich tu’s ja auch.«
    Er wurde laut. »Ich will mich nicht zusammenreißen! Mein Sohn ist tot!«
    Elke Bahr entschloss sich, stehenzubleiben und sich den beiden zuzuwenden. »Es muss sehr schwer sein. Für Sie beide. Wollen Sie an einem anderen Tag wiederkommen?«
    Bloß nicht, dachte Fogh. Innerlich verdrehte er die Augen und lächelte ins Nichts zwischen den drei Figuren, die sich, vor ihm stehend, nicht entschließen konnten, durch die Tür zu treten oder

Weitere Kostenlose Bücher