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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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mit dem Landen?«
     
    Noëlle stand vor dem Waschbecken und kontrollierte die Mascaralinie.
    Du bist eine Sekretärin ohne Sekretärinnenarbeit. Wer kann sich schon in die Badewanne eines Zürcher Hotels legen, bis der Chef fertig ist mit der Gehirnschnippelei, und bekommt das Wannenbad auch noch als Arbeitszeit vergütet?
    Lascheter   … Schon ein cooler Typ.
    Sie musste grinsen.
    Ein bisschen zu cool. Im Grunde ein Block aus Eis, wenn man ihm tiefer in die Augen schaut.

13
    Die vier Kernspintomographen waren im Halbkreis aufgebaut. Sie waren größer als die Geräte in den Krankenhäusern. Den meisten Platz beanspruchten die Schallisolatoren, von denen einige unterhalb des Fußbodens lagen. Im
Institut Zucker
lagen die Patienten und Probanden in nahezu lautlos arbeitenden Röhren.
    Der vierzigminütige Intelligenztest war abgeschlossen. Den vier Testpersonen waren optisch und akustisch Aufgaben eingespielt worden wie bei einem üblichen I Q-Test . Gemessen wurde die Zeit zwischen Frage und Antwort, gemessen wurden aber auch die Herzfrequenz und der Blutdruck, die Atmung und die Körpertemperatur. Gemessen wurden der Anteil des Sauerstoffs in den Arterien des Gehirns und die Energieströme im Schädel. Am Ende ging es um die Frage, wie richtig eine Antwort war.
    Melina prüfte noch einmal, ob sie den richtigen Jugendlichen vor sich hatte, als sie an die Röhre ganz links herantrat. Über das Headset-Mikrofon meldete sie sich bei ihm. »Jörn? – Hallo. Ich bin es wieder, Melina. Wie fühlst du dich? – Okay, das ist gut. Ich sage dir jetzt das heutige Prüfungsergebnis. Du hast – einen Augenblick   … Hm, du hast von allen 40   Probanden beim I Q-Test heute das schlechteste Ergebnis.« Sie kontrollierte, ob alle Systeme liefen. Das taten sie.
    »Jörn   … «, unterbrach sie seinen stammelnden Protest nach zwanzig Sekunden. »Wie viel ist 555 mal 18? – Doch, das gehört noch zum Test.«
    Als 40   Sekunden vorbei waren, sagte sie: »Warte mal, ichhabe dich verwechselt. Ich habe dich mit einem anderen Jörn vertauscht. Dein richtiges Ergebnis ist, du bist unter den besten drei. Herzlichen Glückwunsch.«
    Alle Systeme funktionierten.
    »Bleib noch ein paar Minuten ohne Bewegung liegen, bitte, du hörst Musik. Entspanne dich.«
    Sie ging zur zweiten Röhre. »Robert? – Hallo. Ich bin es wieder, Melina. Wie fühlst du dich? – Okay, das ist gut. Ich sage dir jetzt das heutige Prüfungsergebnis. Du hast – einen Augenblick   … Hm, du hast von allen 40   Probanden beim I Q-Test heute das schlechteste Ergebnis.«
    Dann: »Wie viel ist 555 mal 18?«
    »Warte mal, ich habe dich verwechselt. Ich habe dich mit einem anderen Robert vertauscht. Dein richtiges Ergebnis ist, du bist unter den besten drei. Herzlichen Glückwunsch.«
    Nachdem sie alle vier durchhatte, ging sie zum Pult zurück und gab auf dem Touch-Screen »Testreihe abschließen« ein. Daraufhin fuhren die Tomographen herunter, von links nach rechts. Sobald ein Jugendlicher aus dem Gerät herausgefahren war, entfernte sie alle Sensoren. Die Kopfhörer zuletzt. Mit einem Handschlag wies sie ihnen den Weg. Sie sollten einander nicht begegnen, denn nebenan wartete der nächste Test.
    Melina checkte, ob alle vier Aufzeichnungsreihen ohne Unterbrechung gelaufen waren. Soweit sie die Kurven inzwischen beurteilen konnte, hatten die vier Jungs normal reagiert. Keiner hatte sagen können, was 555 mal 18 ist, auch wenn die Rechenaufgaben zuvor schwieriger gewesen waren. Enttäuschung, Verletzung, Wut. Erleichterung, Zufriedenheit. Zuviel für den rationalen Schädel. Mit den simpelsten Gefühlsregungen der Welt konnte man das Hochleistungsgehirn ausbremsen.
    Aber das durfte nicht der Zweck des Experiments sein. Wahrscheinlich geht es darum, wie man in welchem Alter auf Stress reagiert.
    Man weihte sie als Hilfskraft nicht in alle Geheimnisse der Testreihen ein. Nicht aus Misstrauen, sondern weil man verhindern wollte, dass sie, wenn sie das genaue Ziel kannte, die Probanden unbewusst lenkte, besonders bei offenen Fragen wie: Was ist das für ein Gefühl gewesen, als du hörtest, dass   …?
    Sie schaltete den Strom ab und begann, die Liegeschlitten zu reinigen, auf denen die Jungen gelegen hatten. Dann kontrollierte sie die Monitore, wischte die Kopfhörer ab, sortierte den Kabelsalat der Sensorendrähte, legte die Messbügel sorgfältig an ihre Stelle zurück, fuhr die Programme auf null und wickelte einen frischen Kaugummi zum Eigengebrauch

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