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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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doch zu den Kids in der H-4.   Unglaublich, dieses dusselige Hirn! Mit dem Rückenmark zu denken ist keine schlaue Alternative.
    Na gut, plauderte sie stumm weiter drauflos, während sie ihren Kittel überzog. Es steuert meine Atmung, es lässt mich aufrecht gehen und mich zurechtfinden. Ich erkenne das Institut wieder, meinen Weg und mein Büro. Und mich selbst. Was auch nicht selbstverständlich ist.
    Melina hatte es richtig in Erinnerung: Genau zu diesem Zeitpunkt saßen im Haus H-4 ein Dutzend Jugendliche im Wartebereich und vertrieben sich die Zeit. Sie ging am offenen Eingang des Clubraums vorbei und verschaffte sich mit der PIN Zutritt zum angrenzenden Abstellraum. In Regalen stapelten sich Testbögen, volle und leere Getränkekisten und Lehrbücher. Außerdem ein Tennisball und zwei Pornohefte.
    Die hat wohl jemand bei den Kids konfisziert, dachte Melina. Hoffentlich ist es so.
    Sie hatte es einmal durch Zufall gemerkt: Von dem schmalen Raum aus konnte man durch einen Lüftungsschacht hören, was im Warteraum gesprochen wurde. Man musste das Ohr nicht irgendwo andocken, man musste nur still sein.
    »He, Helen! Kein Wort reimt sich auf Uschi   … «
    »Ha – ha, lustig, Sven. Hast du auch was Neues?«
    »He, Bülent! Kein Wort reimt sich auf Uschi!«
    Gekicher.
    Dann eine andere Mädchenstimme: »Wann bist du dran, Helen?«
    »Last – but not least. Von mir aus gammle ich drei Stunden rum, die löhnen ja dafür!«
    Melina zog ihre zu einem Zopf gebundenen Haare strammer, betrachtete sich im Spiegel neben dem Türrahmen, suchte im Regal nach einem Klemmboard, griff sich einige Testbögen und ging nach nebenan.
    »Wer von euch ist Helen?«
    Elf Jugendgesichter. Verblüfft.
    »Äh – ich.«
    »Gut, dann komm. Du bist dran.«
    »Ich dachte   … «
    »Wir arbeiten heute Abend im Parallelbetrieb. – Hallo, Helen. Ich bin Melina. Dann komm mal mit.«
    Sie ging zackig vor und brachte das Mädchen mit den auf Hellblond gefärbten kurzen Haaren in ihr Büro.
    »Du warst neulich in der Schweiz? Mit der Gruppe vom PALAU?«
    Helen nickte.
    O Gott, ist die jung!
    »Du schaust so ängstlich, Helen. Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Ich dachte, ich komme als Letzte heute dran.«
    »Ist das ein Problem? Sei froh, dann ist es nicht so langweilig. Gleich zwei Fragerunden an einem Abend.«
    »Hm.«
    »Komm, leg die Sachen da hin und entspanne dich! – Bei dieser Reise, da ist auch der Unfall passiert?«
    Helens Augen flackerten kurz. »Was für ein Unfall?«
    »Jan Sikorski. Der epileptische Anfall und sein Sturz.«
    »Klar.«
    »Klar? Also du warst dabei?«
    »Ja. Wieso?«
    »Beantworte einfach meine Fragen.«
    »Ist das schon der Test?«
    »Ja. Erinnerst du dich an Einzelheiten?«
    »Ich war nicht bei der Wanderung dabei.«
    »Du musst dich nicht verteidigen, Helen. Es sind nur Fragen.«
    »Ich habe nichts gesehen. Ich habe nur gehört, dass es passiert ist. Ich hatte mit diesem Jan auch vorher keinen Kontakt.«
    »Okay, Helen. War bei eurer Reise eine Lena dabei?«
    »Das sind doch nie und nimmer Fragen für den Test!«
    »Komm, setz dich. – Sag mir einfach, ob eine Lena dabei war, dann kommen wir zu den anderen Fragen.«
    »Ich kenne keine Lena«, sagte sie und kramte in ihrer Handtasche.
    »Könntest du das weglegen, bitte? Bei den Fragen sollt ihr still sitzen oder liegen und euch auf die Fragen konzentrieren.«
    »Das sind aber keine Testfragen. Sie sind gar nicht befugt.«
    »Gut, dann sag mir deinen IQ.«
    »103.«
    Melina schrieb die Zahl auf einen der Testbögen. Er war für Hämoglobin-Werte gedacht. »Dein Alter?«
    »Drei – zehn! – Wollen Sie auch die Körbchengröße?«
    Melina schaute streng. »Wenn du darauf bestehst   … « Nach ein paar Standardfragen schickte sie das Mädchen zurück.»Wann ist Bülent dran? Ich habe ihn gar nicht auf meiner Liste.«
    »Der kommt immer kurz vor mir«, sagte Helen.
    »Okay. Dann schicke ihn mir bitte. – Und: Wie immer bitte keine Gespräche untereinander über die Testfragen.« Das war der Standardsatz, alle Jugendlichen kannten ihn auswendig.
    »Also, Bülent«, sagte Melina, nachdem sie sich vorgestellt und Floskelfragen gestellt hatte. »Wir kommen zur Sparte Erinnerungsvermögen. Du warst bei der Gruppenreise in die Schweiz dabei?«
    Er nickte.
    »Bitte antworte verbal.«
    »Ja.«
    »Wie hieß deine Gruppenleiterin?«
    »Christine.«
    »Und weiter?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Weißt du es nicht, oder hast du es vergessen?«
    »Ich habe ihren

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