weiß das schon!«, murmelte Heath, als er die Tür für Jenny öffnete.
»Wer ist Pony? Du?«
»Pscht«, schnitt ihr Heath das Wort ab. Jenny presste leicht verunsichert die Lippen zusammen. Aber das war eben ein Internat. Das Waverly-Zauberland. Hier war sie doch sicher, oder?
Draußen war es stockfinster und totenstill, nur ein paar letzte Grillen zirpten noch. Heath blieb vor der Kapelle stehen, die sich neben Haus Richards befand. Sie war gedrungen und dennoch erhaben und hatte bunte Kirchenfenster und eine schwere Eichentür.
»Was wollen wir...«, setzte Jenny an. Sie war noch nicht in der Kapelle gewesen – das würde morgen kommen, dort wurden sämtliche Schüler aufgerufen, Ankündigungen gemacht und ein kleiner Gottesdienst gehalten.
Heath drückte seine Zigarette an einem der vorderen Fenster aus. »Es ist Tradition, dass neue Waverly-Schüler die Kapelle betreten, bevor die Schule richtig anfängt.«
»Du willst mich aber nicht einschließen oder so was?«, fragte Jenny zögernd, und es war ihr völlig egal, ob es nach der Alten Jenny klang.
»Quatsch.« Heath lächelte. »Ich komm sogar mit rein.«
»Oh.« Jennys Herz begann, schneller zu schlagen. »Also gut.«
Heath zerrte an der riesigen Eichentür, bis sie aufging. Der Innenraum der Kapelle war nur von ein paar wenigen Kerzen erleuchtet, und es herrschte eine Stille wie... na ja... eben wie in einer Kirche.
»Es ist schön hier drin«, flüsterte Jenny.
»Setz dich zu mir.« Heath klopfte mit der Hand leicht auf eine der hölzernen Bänke. Wie er da so im Kerzenlicht saß, die Hände artig im Schoß gefaltet und das Haar ordentlich zurückgekämmt, fragte sich Jenny, ob sie ihn vielleicht falsch eingeschätzt hatte. Vielleicht war er ja gläubig und vergeistigt.
Sie glitt neben ihn in die Bank. »Das ist also das Ritual?«
»Das Ritual?« Heath sah sie verständnislos an.
»Du hast doch gesagt..." Jenny verstummte. Natürlich, es gab überhaupt kein Ritual. Es war nur ein Trick.
Sie blieben eine Minute ruhig sitzen und lauschten dem Wind, der um die Mauern der Kapelle fegte. Dann legte Heath eine Hand über ihre.
»Ich fand dich so süß heute Morgen«, raunte er so nuschelig, dass »fand« wie »Pfand« und »Morgen« wie »borgen« klang. »Vor allem im Auto, als mein Dad dich mitgenommen hat.«
»Ach«, erwiderte Jenny und strahlte. Er erinnerte sich also doch! »Danke.«
»Du bist aus dieser Mädchenschule in New York, stimmt’s?«
»Genau.« Hatte sie das heute Morgen erwähnt? Sie glaubte nicht.
»Bist du rausgeflogen?«
»Nicht direkt.«
Auf einmal warf sich Heath auf sie. Sie dachte, er hätte das Gleichgewicht verloren, aber plötzlich küsste er ihr ganzes Gesicht ab und seine Zunge drängte sich zwischen ihre Lippen. Jennys erste Reaktion war, ihn fortzuschieben, aber dann rann ihr ein wohliges Kribbeln über den Rücken. Heath küsste grandios, besser als jeder, den sie bisher geküsst hatte. Sie legte die Hand auf seinen Nacken, schloss fest die Augen und ließ sich mitreißen. Die hölzerne Kirchenbank knarrte und ächzte leise vor sich hin, ihre saugenden Kussgeräusche hallten von der Decke wider. Seine Hand fuhr an ihren Fingern entlang, strich dann jedoch rasch über ihr Handgelenk und den Unterarm und landete schließlich auf ihrem Busen.
Beunruhigt rückte Jenny von ihm ab.
»Wassn los?« Heath grinste und sein Blick glitt flackernd zwischen ihren Brüsten hin und her. Er sah auf einmal überhaupt nicht mehr vergeistigt und sensibel aus.
»Äh... das geht mir etwas zu schnell«, brachte Jenny hervor. »Sonst nichts.«
»Komm schon«, drängte Heath und seine Stimme wurde schläfriger. »Jenny aus New York. Die verrückte Jenny.«
»So verrückt dann auch wieder nicht«, wehrte sich Jenny. Sie hatte das unheimliche Gefühl, dass Heath jemanden zitierte. Was war über sie verbreitet worden? Und woher stammten diese Informationen?
Plötzlich kippte Heath vornüber, fiel mit dem Kopf auf die Bank und fing leise zu schnarchen an. Jenny stand auf und sah sich in der leeren Kapelle um, von deren Balkendecke Heaths Schnarchen zurückgeworfen wurde.
Sie kam sich plötzlich sehr wie die Alte Jenny vor. Aber das Schuljahr fing ja erst morgen offiziell an, sagte sie sich. Die Neue Jenny kam gerade erst in die Gänge.
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Mittwoch, 4. September, 9.50 Uhr
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