Junge Liebe 050 - Bye,bye, Mauerblümchen
Er legte Dad einen Umhang um und führte ihn zum Waschbecken, während Robin aufstand und mich wieder mit dem Gesicht zum Spiegel drehte. Mit einem zufriedenen Lächeln föhnte er meine Haare und zupfte Gel hinein. „Wir werden Spaß haben. Das verspreche ich dir.“
Im Spiegel schaute ich ihm in die Augen. „Und du passt auf mich auf?“
„Ich lass dich nicht aus den Augen, Schatz!“
Als ich wenig später mit Dad die Straße entlang ging und er sich immer wieder mit der Hand über das Haar strich, musterte ich ihn amüsiert. „Dan gefällt dir, was?“
„Nicht so, wie du denkst, Kind. Er ist nett und sehr amüsant. Und er hat Erfahrung mit Pflanzen. Er kommt uns besuchen. Er bringt mir einen Ableger einer Panamahut-Palme. Meine ist mir ja leider eingegangen.“
Ungewollt lachte ich auf. „Oh Mann, da muss ich da sein. Großmutter fällt aus ihren zwanzig Jahre alten Hausschuhen, wenn Dan zu uns kommt.“
„Warum?“, fragte er verwirrt.
„Weil er schwul ist, Dad. Für Großmutter sind das abartige, perverse Schwuchteln.“
Kopfschüttelnd ging Dad weiter. „So eine blöde Einstellung.“
Gedanken
Den Samstagnachmittag verbrachte ich mit lauter Musik aus meinem MP3-Player in der Wanne. Die Bissmale gingen zurück und die blauen Flecke färbten sich langsam in einen Mix aus grün, gelb und lila. Kurz: Ich sah noch immer beschissen aus. Mit geschlossenen Augen ließ ich die Musik auf mich wirken, versuchte mich zu entspannen, die ganze Woche irgendwie auszublenden.
Irgendwie hatte unser städtisches Käseblatt von Diegos Übergriff Wind bekommen und mich pausenlos belagert, ihnen ein Interview zu geben. So lange, bis Dad richtig laut geworden war. Es lag weder in meinem Interesse mit der ganzen Aktion an die Öffentlichkeit zu gehen, wie es auch nicht im Interesse der Band lag. Die beschuldigten mich zudem, Diego zu Unrecht anzuprangern. Sicher, meine ganzen Flecken hatte ich mir nur eingebildet. Doch davon wollten sie nichts hören. Diego war ihr Freund, in ihren Augen unschuldig und saß allein wegen mir in Untersuchungshaft. Der Anwalt der Band hatte einen Deal vorgeschlagen. Sie würden mir eine nicht unerhebliche Summe zahlen, dafür sollte ich die Anzeige zurückziehen. Robin war regelrecht ausgerastet, als ich ihm davon erzählt hatte. Glücklicherweise war auch Dad absolut gegen diesen Deal. Diego hatte seinen Sohn vergewaltigt und sollte dafür bezahlen. Mein Versuch, die Sache runterzuspielen, stieß auf wenig Verständnis. Dabei wollte ich doch nur dieses eine Wort nicht hören. Vergewaltigung. War ich wirklich vergewaltigt worden? Wieder hämmerten mir Robins Worte durch den Kopf, der nach meinem letzten Protest gegoogelt hatte.
Vergewaltigung ist die Nötigung zum Beischlaf oder zu ähnlichen sexuellen Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, wobei diese mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer dem Täter schutzlos ausgeliefert ist, erfolgen kann.
Ein Wort hatte zum anderen geführt, und schlussendlich hatte ich in Robins Armen bitterlich geweint. Aber ich hatte eingesehen, dass Diego mir nicht einfach nur zu nah auf die Pelle gerückt war. Die Entscheidung war gefallen. Er sollte dafür büßen. Zumal ich kein Geld annehmen wollte, welches ihn lediglich freikaufen würde. Bei all dem Theater war es mir ein absolutes Rätsel, wie Dad und ich das Ganze noch immer vor Mum geheimhalten konnten.
Einen Tag vor meinem Geburtstag war ich noch einmal zur Polizei bestellt worden, um meine letzte Aussage zu machen. Bei der Vernehmung war nicht nur mein Vater und mein Anwalt dabei gewesen, sondern auch ein Polizeipsychologe, der sich meine Version der Geschichte anhörte. Der Gedanke, dass ich all das bei der Verhandlung noch einmal erzählen müsste, sorgte dafür, dass mir jetzt schon schlecht wurde. Ich bekam Bauchschmerzen, wenn ich nur an die Nacht dachte. Wie würde es erst sein, vor so vielen Menschen darüber zu sprechen? Dazu kam noch, dass auch Diego dabei sein würde. Der Gedanke ließ meinen Magen sich krampfartig zusammen ziehen. Ich durfte nicht darüber nachdenken. Ich wollte endlich wieder lachen. Und ich wollte wieder dieser kleine Naivling sein. Ich hatte mich unbeschwerter gefühlt, als ich noch nicht wusste, wie grausam die Welt sein konnte. Jetzt hatte ich Albträume, Schweißausbrüche und Heulattacken. Doch genau in diesen Momenten war Robin für mich da. Er war immer da, wenn es
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