Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
mal Schluss machen.»
Doch Frau Klippstein hört einfach nicht auf zu reden.
«Ja, Frau Klippstein, das können wir doch morgen noch besprechen.»
Mutter hängt ihren Mantel an der Garderobe auf.
«Frau Klippstein, ich muss jetzt wirklich.»
Das kennt Frau Klippstein gar nicht, dass sie einfach so abgewürgt wird. Ich finde, daran muss sie sich langsam mal gewöhnen. Oma tut mir vielleicht leid!
«Ich leg jetzt auf, Frau Klippstein.»
Aber Frau Klippstein macht einfach weiter.
«So, gute Nacht, Frau Klippstein.»
Dann hängt Oma tatsächlich auf, zum ersten Mal in ihrem Leben. Das Abendbrot steht schon fix und fertig vorbereitet im Wohnzimmer.
«Walter», ruft Oma die Kellertreppe hinunter.
«Ich komme gleich, Friedel.»
«Nein, jetzt sofort.»
Oma schenkt schon mal Tee ein, und Mutter trinkt wieder ein Glas Kadarkawein. Opa kommt und kommt nicht. Ich sehe Oma an, dass sie ganz ungeduldig wird. Endlich kommt er, doch er hat noch nasse Hände vom Händewaschen. Als er einen Schluck vom Hagebuttentee kostet, verzieht er den Mund und macht «Äh, baba».
«Also, Walter, das ist nun wirklich deine eigene Schuld, wenn du dir so viel Zeit lässt, dass der Tee kalt wird.»
Opa sagt nichts mehr, sondern isst zwei Schinkenbrote und Gewürzgurken. Plötzlich merke ich, dass ich todmüde bin und mir bei Tisch die Augen zufallen.
«Na, Mathias, was ist denn mit dir los?», fragt Mutter. Sie wendet sich an Oma:
«War irgendwas heute?»
Oma schüttelt den Kopf.
«Was soll gewesen sein? Er war mit Uwe Fußball spielen.»
Na, wenn die wüssten. Ich gehe nach oben und ziehe mir meinen neuen Schlafanzug aus Frotté an, der ist viel bequemer als Stoffschlafanzüge. Als Mutter nachkommt, bin ich fast eingeschlafen. Sie gibt mir ein Küsschen und spricht das Gutenachtgebet. Dann erzählt sie noch was, aber ich weiß nicht mehr, was, und bin gleich eingeschlafen.
Raucher sind alle Schweine
Am Vormittag kommt der Klavierstimmer Herr Siegbert und stimmt unseren Steinwayflügel. Herr Siegbert kommt einmal im Jahr und hockt dann stundenlang vor dem Flügel, steckt seinen Kopf hinein und haut mit einem Klöppel auf die Saiten, und kein Mensch weiß, was er da eigentlich macht, aber hinterher klingt der Flügel immer fabelhaft. Sagt meine Mutter. Ich höre keinen Unterschied, der Flügel klang vorher auch schon gut, aber Mutter und Herr Siegbert haben viel feinere Ohren. Herr Siegbert ist groß und knochig, dafür hat er wulstige Lippen, die er bei jedem Anschlag von seinem Klöppel nach vorne stülpt. Genau wie Großvater trägt Herr Siegbert immer Anzug mit Schlips und Kragen. Bevor es losgeht, legt er sein Jackett ab. Opa macht immer einen langen Spaziergang, wenn Herr Siegbert da ist, für ihn ist das Gestimme eine einzige Qual. Oma steht in der Küche und brüht frischen Bohnenkaffee auf, Herr Siegbert trinkt unwahrscheinliche Mengen davon. Mutter sagt immer, sie wundert sich, dass Herr Siegbert noch keinen Herzinfarkt bekommen hat von dem starken Kaffee. Außerdem raucht er wie ein Schlot, und obwohl Mutter Raucher hasst wie die Pest, stellt sie ihm einen Aschenbecher hin, denn wir sind sehr gastfreundlich, und Mutter sagt, wenn er sich freiwillig die Gesundheit ruinieren will, dann soll er es ruhig tun, sie kann ihn sowieso nicht davon abhalten. Wenn er wieder weg ist, wischt sie jede Taste gründlich ab, weil sich die Asche in jede einzelne Ritze verteilt. Mutter schüttelt sich und murmelt «ihgittigitt» vor sich hin und dass Raucher alle Schweine sind.
«Hörst du, Mathias, Raucher sind alles Schweine. Fang du bloß nie damit an!»
Dann zählt sie die Kippen im Aschenbecher und schüttelt ratlos den Kopf darüber, wie man in nur vier Stunden so viele Zigaretten rauchen kann. Ich habe Oma und Mutter mal im Gespräch belauscht und weiß seitdem, dass Herr Siegbert meine Mutter sehr gerne mag. Er hat sie sogar mal zum Abendessen in ein Restaurant eingeladen, aber Mutter wollte das nicht, auch wegen der Zigaretten, und Herr Siegbert hat manchmal außerdem noch eine Schnapsfahne. Aber auch wenn er nicht rauchen und trinken würde, würde meine Mutter sich nicht mit ihm treffen, denn für meine Mutter kommen nur Männer in Frage wie Herbert von Karajan oder ein Arzt oder Professor. Meinen Vater hätte sie auch genommen, aber der war schon verheiratet. Viel mehr weiß ich darüber nicht.
Obwohl Herr Siegbert so knochig ist, hat er eine ganz tiefe Stimme. Er brummelt so tief, dass man es kaum verstehen kann. Es
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