Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
der gar nicht wusste, was los war, und einfach stehen geblieben ist. Herr Stöver hat ihn windelweich geprügelt, aber Schulzes haben ihn dafür angezeigt. Herr Stöver musste eine Strafe zahlen und ist seitdem bei allen untendurch und noch ungenießbarer. Ich glaube, wenn er jemals einen von uns in die Finger bekommen würde, würde er ihn totschlagen. Der einzige Mensch, den er nicht anbrüllt, ist wieder mal Oma. Oma ist auch die Einzige, die überhaupt noch ab und zu ein Wörtchen mit ihm spricht. Sie sagt, dass Herr Stöver gar nicht so ist, wie es scheint. Es ist jedenfalls ganz erstaunlich, wie Herr Stöver sich verwandelt, sobald Oma in der Nähe ist.
«Mathias!»
«Ja, ich komme.»
In der Blumenkohlsoße sind Mehlklümpchen. Oma sagt immer, es ist eine große Kunst, richtige Mehlschwitze zu machen, aber dann sind doch immer Klümpchen in der Schwitze. Ich krieg Schwitze mit Klumpen nicht runter und tu sie an den Rand.
Um halb zwei stehen Martin und Sigrun gleichzeitig vor unserer Tür. Martin ist ganz verlegen, und Sigrun geht gleich ins Wohnzimmer durch, sie kennt sich schon gut aus und weiß, wo alles ist. Ich stelle Martin meinen Großeltern vor. Oma bietet ihm was zu essen an, aber Martin hat keinen Hunger. Dann zeige ich ihm mein Zimmer. Er fragt mich, warum ich keine Poster an der Wand habe. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich habe nur ein Bild, das Jesus mit seinen Jüngern zeigt, wie sie durch ein Kornfeld marschieren. Ganz vorne geht Jesus selber mit Johannes und erklärt ihm etwas. Johannes hört aufmerksam zu, die restlichen Jünger gehen in gehörigem Abstand hinterher. Martin sagt, dass er Poster von Rockbands hätte und eins von Frank Sinatra. Ich kenne Frank Sinatra nur vom Hörensagen. Bei uns zu Hause läuft nur klassische Musik, und eine eigene Stereoanlage bekomme ich erst in mehreren Jahren. Klassische Musik ist auch viel schöner und wertvoller, sagt meine Mutter, und ich finde es selber auch. Jetzt tue ich aber so, als würde ich Frank Sinatra auch gut finden. Nebenan erklingen die Einspielübungen von Sigrun. Es sind zwar nur Übungsstücke, die man in der Sprache der Musik Etüden nennt, aber ich finde, die hören sich fast noch schöner an als richtige Stücke. Meine Mutter hat mir erklärt, dass Etüden nur komponiert wurden, um die Finger geschmeidig zu machen, damit man später die Stücke von Bach und Beethoven und Mozart aus dem Effeff spielen kann. Sigrun spielt schon so schnell, dass sich die Töne mischen. Dann unterbricht Mutter sie und spielt ihr das noch mal vor, aber noch schneller. Ich bin stolz auf meine Mutter. Martin ist auch beeindruckt, und für Sigrun wird es bei aller Liebe echt noch ein Weilchen dauern, bis sie so schnell wie Mutter spielt.
«Was wollen wir denn jetzt machen?», fragt Martin.
«Weiß nicht. Fußi?»
«Von mir aus.»
Die Straße ist menschenleer. Ich frage mich, wo die anderen alle sind. Ich überlege, sie rauszuklingeln, aber vielleicht versteht sich jemand noch besser mit Martin, und dann wechselt Martin zu Thorsten oder Uwe oder sogar Norbert, das könnte ich mir jedenfalls gut vorstellen. Aber dann passiert etwas ganz anderes: Der Kartoffelbauer kommt! Zweimal im Jahr kommt der Kartoffelbauer in unsere Siedlung, man kann direkt bei ihm neue Kartoffeln kaufen und sie sich in den Keller bringen lassen. Und das Beste: Er fragt uns Kinder, ob wir die Kartoffeln zu den Leuten in die Keller tragen wollen, und am Ende gibt er uns fünf Mark oder sogar zehn, je nachdem. Da wir die einzigen Kinder weit und breit sind, bleibt ihm nichts anderes übrig, als uns zu fragen. Ich erkläre Martin, worum es geht, und er hat auch Lust. Fußball spielen können wir in Zukunft noch genug. Der Kartoffelbauer klingelt mit einer Glocke, die einen Lärm macht, dass man es in der ganzen Siedlung hört. Dong, dong, dong. Die Leute kommen aus ihren Häusern und kaufen fünf oder zehn oder noch mehr Kilo Kartoffeln. Dann schleppen Martin und ich die Kartoffeln zu den Leuten in den Keller. Wenn jemand gleich einen ganzen Zentner kauft, muss der Kartoffelbauer selber schleppen, weil das für uns zu schwer ist. Mutter sagt, dass mein Rücken noch nicht ausgewachsen ist und ich bleibende Schäden davontragen kann, und bei einer ungeschickten Bewegung bricht man sich was oder fällt die Kellertreppe runter. Mir ist das egal, denn so viel Geld wie beim Kartoffelbauern kann man sonst nirgends verdienen. Er hat kaum noch Zähne und eine große rote Nase
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