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Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Titel: Junge rettet Freund aus Teich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Manchmal sitzt sie zusammengesunken auf ihrem Küchenstuhl und starrt ins Leere. Das geht minutenlang so, und ich werde ganz beklommen. Irgendwann merkt sie es, zuckt zusammen und setzt automatisch wieder ein heiteres Gesicht auf. Sie ist auch in Sorge um Opa, der seit seinem Herzinfarkt ganz schön abgebaut hat. Federballspielen ist jedenfalls nicht mehr drin, und zum Gluck-gluck-Männchen geht’s auch nur noch selten. Allerdings bin ich dafür auch mittlerweile zu alt. Gluck-gluck-Männchen, albern. Aber ich erinnere mich trotzdem gern an die Zeiten zurück, als wir staunend davorstanden. Einmal habe ich Oma beim Telefonieren mit Frau Klippstein belauscht, sie hat gesagt, es kommt einem Wunder gleich, dass Opa den Infarkt überlebt hat. Es war wohl ein sehr schwerer Infarkt.
    Zum Glück mache ich ihr nicht auch noch Sorgen, sagt sie, und ich glaube es ihr auch, ich wüsste auch nicht, womit. Ich hoffe, dass der ganze Kummer in letzter Zeit ihr nicht allzu sehr zusetzt. Wo sie sich neben den Telefonaten mit Frau Klippstein nach Onkel Horsts Tod auch noch um ihre Schwester kümmern muss. Wenn Frau Klippstein Oma wieder mal in Beschlag nimmt, möchte ich vor lauter Wut am liebsten die Gabel runterdrücken oder Frau Klippstein durch den Hörer anbrüllen, dass sie gefälligst meine Oma in Ruhe lassen soll, die hat schon genug um die Ohren und kann sich nicht auch noch irgendwelche fremden Probleme anhören. Wobei Frau Klippstein ja überhaupt keine Probleme hat, jedenfalls keine, die man lösen könnte. Ihr Mann wird von dem Gequatsche auch nicht wieder lebendig, und wenn sie nicht mehr richtig laufen kann, soll sie eben zum Arzt gehen. Oma braucht ihre Kraft für die Probleme innerhalb der Familie!

    Mutter geht heute wieder direkt nach dem Abendbrot auf ihr Zimmer und übt Flöte. Da wird sich Frau Marek aber bedanken! In anderen Bundesländern darf man bis 22 Uhr Hausmusik machen, in Hamburg aber nur bis um 20 Uhr. Das weiß Frau Marek ganz genau, und wenn Mutter auch nur um fünf Minuten überzieht, klingelt gleich das Telefon, oder Frau Marek steht persönlich vor der Haustür. Am schlimmsten ist das für Oma. Je schwächer Oma wird, desto größer wird ihre Angst vor Frau Marek: die strafenden Blicke, wenn irgendwas im Garten nicht in Ordnung ist oder der Mülleimer schief an seinem Platz steht oder es laut ist oder sonst was. Ich verstehe wirklich nicht, wie man zu meiner Oma so böse sein kann, ich wünschte, die olle Marek würde schwer krank werden, damit sie mal weiß, wie das ist. Dann kann sie sich mal nur mit sich selber beschäftigen, ohne anderen Menschen das Leben schwerzumachen. Punkt 20 Uhr verstummt Mutters Geflöte. Hoffentlich bleibt sie in ihrem Zimmer, und ich kann mich auf leisen Sohlen nach oben schleichen, ohne ihr zu begegnen. Zu früh gefreut:
    «Mathias!»
    Was kann sie denn jetzt noch wollen? Ich überlege krampfhaft, was ich wieder falsch gemacht haben könnte, aber es fällt mir partout nichts ein. Mir ist mehr als mulmig zumute, als ich zu ihr ins Zimmer gehe.
    Doch es kommt ganz anders: Sie entschuldigt sich bei mir, dass sie in letzter Zeit oft ungerecht zu mir war. Sie würde es nicht so meinen, sie wäre bloß in dauernder Sorge um mich. Auf der einen Seite bin ich erleichtert, dass nichts Schlimmes ist, aber andererseits fühle ich mich schon wieder schlecht, weil ich der Grund für ihren Kummer bin. Dann meint sie, dass ich für mein Alter schon sehr erwachsen wäre und sie mich zukünftig auch so behandeln wollte und wir ab jetzt Bundesgenossen sind.
    Ich traue dem Braten nicht. Hoffentlich hält die gute Stimmung nicht nur von zwölf bis Mittag. Ich würde jetzt gerne auf mein Zimmer gehen, aber stattdessen sitzen wir einfach nur da und schweigen gemeinsam. Und dann geht es auch schon wieder los: Ich soll ihr bei Oma Emmi bloß keinen Kummer bereiten! Als ich frage, wie in drei Teufels Namen ich ihr auf dem platten Land Kummer bereiten soll, antwortet sie mit Grabesstimme, dass ich schon ganz genau wüsste, was gemeint ist. Nein, weiß ich nicht! Ich weiß es wirklich nicht. Bundesgenosse, von wegen. Da kann ich warten, bis ich schwarz werde, Bundesgenosse bin ich, wenn es ihr passt, ansonsten ist es wie immer. Als ich ihr gute Nacht wünsche, guckt sie, als ob jemand gestorben wäre. Mein Gott, was soll denn das, es ist doch gar nichts passiert! Jetzt kann ich wieder nicht einschlafen. Irgendwas ist immer, und wenn nichts ist, dann wird so lange gesucht, bis wirklich etwas

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