Jungen und Maedchen - wie sie lernen
HÖREN. Bei den Frauen ist es umgekehrt: Sie schneiden weniger gut ab, wenn sie eine bestimmte Form (z. B. den Buchstaben „k“) SEHEN sollen, dafür HÖREN sie ihn aber umso besser. Faszinierend fand ich eine Bemerkung der Psychologin Diane McGUINNESS , die das Experiment mit einer ihrer Assistentinnen durchführte. Sie stellte nämlich fest, daß beide Versuchsleiterinnen es zunächst überhaupt nicht fassen konnten, wie „schwerhörig bis taub“ die Männer im Vergleich zu den Frauen waren. Die Ergebnisse waren total unerwartet gewesen. Inzwischen (Jahrzehnte später) wissen wir mehr: Männer hören ca. die Hälfte dessen, was Frauen hören (dafür sehen sie besser, vor allem am Horizont, aber auch Kleingedrucktes). Es gibt nur eine Ausnahme: Bei Tierlauten, insbesondere Vogelstimmen hören Männer weit besser als Frauen. Deshalb sind wohl auch fast alle Komiker und Kabarettisten, die andere Menschen großartig persiflieren und imitieren können, männlich.
Lesen oder hören ?
Jungen versuchen alles, was sie angehen, mit den „eingebauten Vorteilen“ zu lernen, was sich oft als erfolgreiche Strategie herausstellt, nur nicht beim Versuch, lesen zu lernen. Denn ein Hirn, dessen Architektur männlich ist, versucht, Buchstaben als FORMEN zu identifizieren, was das Experiment von oben zeigt. Mädchen sprechen mehr als Jungen, aber sie hören auch mehr zu, sie begreifen also intuitiv lange vor den Jungen, daß Buchstaben KLANGBILDER darstellen. Jungen wollen hingegen einen Buchstaben eher wie eine Fährte im Schnee oder Sand „lesen“ (was man schweigend tun kann, auch wenn man taub ist). Das gelingt aber nicht, wenn die Spur, die man „lesen“ will, ein Klangbild darstellt. Deshalb müssen alle Strategien, die Jungen helfen sollen, Leseverhalten zu verbessern, diese Tatsache miteinbeziehen (s. Praxis-Modul, vor allem die Techniken Nr. 1, 4, 7 und 10).
Meisterschaft
Es gibt viele Gründe, warum wir Deutsche bei den PISA-Studien in puncto „sozio-ökonomischer Distanz“ gesiegt haben. Im Klartext: Es gibt bei uns weit weniger Chancengleichheit in der Bildung als in den anderen 31 Ländern der PISA-Studie 2000. Auch in der zweiten Studie (OECD, 2003), bei der 41 Länder mitmachten, liegen wir in puncto Bildungs-Chancengleichheit wieder ganz hinten. (Übrigens siegte auch hier Finnland – kein Zufall!)
Warum ist es so schlimm, wenn Schulen nur gut für Kinder aus den „richtigen“ Haushalten sind? In den meisten sogenannten bildungsfernen Haushalten werden Kinder daheim weder angeregt, auf irgendeinem Gebiet (oder gar auf mehreren) eine gewisse MEISTERSCHAFT anzustreben, noch erhalten sie die notwendige Förderung von Eltern, die selbst nicht viel beherrschen, was sie weitergeben könnten. Denken Sie nur daran, wie ganz Deutschland sich über das Deutsch eines der Bewohner der ersten BIG BROTHER STAFFEL (Zlatko) aufgeregt hat, ohne zu begreifen, daß dieser Mann die Sprache, die ihn umgab, perfekt gelernt hatte! Außerdem besteht die Gefahr, daß in Haushalten, in denen keiner geistige Kompetenzen erworben hat, das, was man nicht beherrscht , als nicht wünschenswert hingestellt, oft sogar regelrecht bekämpft wird. In solchen Familien und Nachbarschaften gilt Lernen als „weich“ oder „weibisch“, so daß gerade Jungen besonders benachteiligt werden. Hier gelten lernwillige Kinder eher als „Streber“, während man in „bildungsnahen“ Familien um den Wert des Lernens weiß.
Hat man kein Geld oder Interesse, z. B. um das Erlernen eines Musikinstrumentes (oder einer anderen Fertigkeit) zu fördern, dann wird das Kind eben weit weniger gefördert als die Kinder bildungsnaher Familien. Gute Schulen müssen gegensteuern, unsere in Deutschland haben auf diesem Gebiet noch viel zu lernen. In Amerika werden wenigstens sportbegabte junge Leute durch die Schule gefördert, aber wir betreiben ja auch diese lebensnotwendige Betätigung unserer Schüler eher nebenher, zu selten (Sportunterricht fällt auch oft aus), und dann stehen die Kinder oft eher Schlange, bis sie am Pferd, Barren oder Reck EINMAL „drankommen“, als daß sie sich tatsächlich BEWEGEN dürften. Aber es ist unbedingt notwendig, auf mindestens einem Gebiet MEISTERSCHAFT anzustreben, denn nur so kann das Gehirn sich richtig entwickeln. Wenn man monate- und jahrelang an einer Sache „dranbleibt“, lernt man, daß manche Dinge lange brauchen, daß man jedoch ständig besser wird, daß sich die Wahrnehmung verändert (man kann immer
Weitere Kostenlose Bücher