Jungen und Maedchen - wie sie lernen
mehr Feinheiten des gewählten Gebietes wahrnehmen), man wird langsam Experte. Gleichzeitig lernen Kinder die Weisheit des Sprichwortes „Gut Ding will Weile haben“ kennen. Sie begreifen, daß es nicht sinnvoll ist, wenn man (wie in der Regelschule üblich) alles nur kurz andenkt, anübt und dann weiterschreitet, meist, ehe man die Dinge wirklich verarbeitet hat oder beherrscht, und meist, ohne diese Dinge jemals wieder aufzugreifen, z. B. Wurzelziehen. Nur so könnten sie lernen, daß manche Dinge sich ausschließlich über große Zeiträume hindurch entwickeln, daß Wiederaufnahme und „Weiterfahren“ nicht nur ein „Weitermachen“, sondern auch ein „Ver-TIEF-en“ bedeuten.
All das rauben wir Kindern, denen wir keine Chance geben, sich auf einem (mindestens einem) Gebiet systematisch zu betätigen. Übrigens hat die Forschung ergeben, daß Musik (inkl. Singen) enorm positive Auswirkungen auf andere Lern-Gebiete hat, insbesondere auf Sprache und Fremdsprachen (beide leben vom Klang), aber auch auf Mathematik (hier geht es u. a. um räumliches Vorstellungsvermögen und Muster-Erkennung). Es hat sich auch gezeigt, daß Musizieren am Instrument (z. B. einem Keyboard) Nervenbahnen stärkt, die mit räumlicher Wahrnehmung und Vorstellung zu tun haben, auch dies ein Aspekt, der bei Mathe hilft. Da (höhere) Mathematik die „Sprache“ der Naturwissenschaften ist, sehen wir den hohen Nutzen, wenn Kinder aktiv Musik betreiben. Das ist dann sozusagen die Sahne auf dem Musik-Kuchen. Und da die wenigsten Familien heute noch Hausmusik betreiben, sollte die Schule m. E. hier mehr Hilfestellung bieten, um diese wichtige Lücke zu schließen. 7)
Normal
Zwei Gedanken möchte ich Ihnen hier anbieten: ERSTENS bedeutet „normal“ keinesfalls körperlich, geistig oder seelisch „gesund“; es heißt lediglich „der Norm entsprechend“, also genausogenommen neutral ausgedrückt: Durchschnitt, negativ formuliert: Mittelmaß. ZWEITENS schafft unsere deutsche Panik vor Eliten, insbesondere vor Leistungs-Eliten, ein sehr gefährliches Klima in einer Zeit, in der wir dem Industrie-Zeitalter mit seinem ausgeprägten Materialismus entwachsen und in eine Epoche eintreten, in der geistige und seelische Aspekte über Erfolg und Mißerfolg entscheiden. Es gibt immer weniger Arbeitsplätze, in denen man „malochen“ kann, überall werden händeringend Leute gesucht, die geistig fit sind. Gleichzeitig entlassen wir immer mehr junge Leute ins Arbeitsleben, die weder richtig lesen (d. h. Gelesenes begreifen) können noch sich mündlich oder schriftlich ausdrücken können. Wiewohl seit den 1930-er Jahren bekannt ist, daß Grammatik-Unterricht nichts bewirkt, werden unzählige Stunden damit vergeudet, anstatt das zu tun, was früher unter Grammatik verstanden wurde, nämlich die rhetorischen Künste zu üben (mündliches und schriftliches Formulieren, Debattieren, Argumentieren etc.). Daran fehlt es bei uns. Hinzu kommt, daß Leute, die etwas leisten, dies eher verstecken, als offen zu zeigen, denn außer im Sport und bei Musik-Stars werden sie doch oft von anderen angefeindet. Allerdings wächst ein solches Anti-Geist-Klima nicht von alleine. Wir sind das Volk. Als Lehrkraft unterstützen Sie bitte, daß alle Kinder in einem Bereich MEISTERSCHAFT über längere Zeiträume anstreben können, insbesondere solche aus bildungsfernen Familien, denn das schafft weit mehr Bildungs-Chancengleichheit als alle gleichmachenden Strategien (vgl. Gender-Mainstreaming , Seite 97 ff.). Als Eltern müssen Sie Ihren Kindern klar zeigen, daß geistige Kompetenzen wichtig sind, und vor allem sich auch bewußt darum bemühen, lebenslang weiterzulernen, und so mit gutem Beispiel vorangehen (wie die Eltern in bildungsnahen Familien, deren Kinder auch kaum Probleme bei den PISA-Studien haben!). Sonst wird sich NICHTS ändern. Wir dürfen nicht immer schreien, dass die Politiker etwas tun müssen, insbesondere da die meisten unserer Politiker sich durch eine Beamtenmentalität auszeichnen bzw. es ihnen vor allem um die nächste Wahl geht. Revolutionen und Evolutionen müssen von UNTEN nach oben wachsen. Die Zeit ist reif! Unterstützen Sie Ihr Kind, ein wenig „abnormal“ zu sein, ein wenig erfolgreicher als andere – egal auf welchem Gebiet. Jeder braucht mindestens einen Bereich, in dem er MEISTERSCHAFT anstrebt (s. „M“, Seite 106 ff.). Und: Eltern und Betreuer können diese Aufgabe nicht an ein Regelschulsystem delegieren, das (noch) nicht
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