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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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sich zu erleichtern, und andere schleppen
sich mit Feuerholzbündeln auf dem Kopf einen Pfad entlang. Niemand ahnt, dass
wir hier sind. Schließlich taucht ein Mann in sandfarbener Kleidung auf, der
sich auf der höher gelegenen Straße eilig in Richtung Loy Kalay bewegt. Er
sieht sich ständig um, und schon bald schließen sich ihm zwei weitere Männer
auf derselben Straße an. Einer hat sich den Kopf rasiert. Penible neben mir
beobachtet sie aufmerksam durch sein Fernglas und macht sich Notizen. Wenn er
eine Waffe zu Gesicht bekommt oder ein Funkgerät, sind die drei tot.
    »Wir haben
ungefähr zehn Pax gesehen - jugendliche Kämpfer -, die sich von Karingal nach
Loy Kalay und zurück bewegen«, flüstert mir Pemble zu. Ich kann ihn kaum hören,
so laut rauscht der Fluss unter uns. »Zwei von ihnen tragen BDU-Uniformjacken und
scheinen Sicherheitsdienst zu haben - einer kommt nach draußen, sieht sich in
alle Richtungen um, und dann ist da noch einer, der auf einem Dach abhängt.«
    Die Battle
Dress Uniforms (BDU) sind im Sprachgebrauch der Army Tarnuniformen mit
Blattwerkmuster. O'Byrne flüstert in sein Funkgerät, durch das Tragen dieser
Kleidung seien sie doch zum Töten freigegeben, ebenso wie durch den Besitz
einer Waffe oder eines Funkgeräts. Aber Patterson ist sich nicht sicher.
(Patterson ist der Platoon Sergeant, führt aber im Moment die Patrouille, weil
Gillespie Heimaturlaub hat.) Nach ein paar Minuten verschwinden die Kämpfer,
und ich sehe, wie Missmut O'Byrnes Miene verdüstert. Ihm ist die Chance entgangen,
diese Männer zu töten, und - ich weiß genau, was er denkt - das könnten genau
die Männer sein, die in der nächsten Woche oder im nächsten Monat einen
Amerikaner umbringen. Es gibt aber auch noch andere Erwägungen. Der Feind hat
ebenfalls Beobachtungsposten bezogen und weiß ganz genau, wohin sich die
Amerikaner im Tal bewegen. Dies ist das erste Mal, dass sich eine Patrouille in
ihrem Hinterhof verschanzt hat, ohne entdeckt zu werden. Feindliche Kämpfer
gehen auf einer ansonsten versteckten Straße hin und her, ohne zu ahnen, dass
sie aus zweihundert Metern Entfernung von Ungläubigen beobachtet werden.
Patterson könnte jetzt zwei Männer erschießen, oder er könnte mit einem
besseren Plan kommen und später zehn Feinde töten.
    Kurz vor
Mittag spielen immer mehr Jungen am Flussufer, und wenn ich die Augen schließe,
höre ich nur ihr Geschrei und das stetige Plätschern an den Stromschnellen.
Dass ich mich im Krieg befinde, merke ich nur, wenn ich die Augen öffne und um
mich herum all die Männer mit ihren Waffen sehe. Die Sonne erreicht langsam
unseren Berghang und legt sich über uns wie ein Schleier aus warmem Öl. Ich
schließe wieder die Augen und höre den Kindern zu. Eine Weile später wache ich
auf. Es ist still, und Kumuluswolken ziehen über einen blassblauen Himmel. Hoyt
hat ein Stück Kautabak im Mund und sabbert auf den Boden neben sich. Pemble
blickt gelassen auf den Berg. Patterson studiert das Dorf durch sein Fernglas
und vergleicht das, was er sieht, mit den Eintragungen in Pembles Notizbuch.
    Ab und zu
blickt ein Mann im Dorf in unsere Richtung und sieht dann wieder weg. Es ist
undenkbar, dass er uns sehen kann - schmutzige unbewegliche Gesichter in einem
Chaos aus Felsgestein und Blattwerk -, aber trotzdem muss ich gegen den Impuls
ankämpfen, mich hinter die Steinmauer zu verziehen. Nicht die geringste
Bewegung: auf die Seite rollen, um zu pissen, und wenn man sich recken muss,
dann einen Körperteil nach dem anderen, und das immer schön langsam. Kumuluswolken
schleppen ihre Schatten über die geometrische Ordnung der flachen Terrassen und
dann die Berge hinauf, und OP Dallas testet seine .50 cal. Die Sonne scheint
eine Weile auf dem Mittagsstand zu verharren, bevor sie zu den westlichen
Gebirgskämmen wandert. Die Farben des Tals werden dunkler, und am
Spätnachmittag zieht sich Karingal allmählich in sich selbst zurück: Die
Ziegenhirten kommen von den Bergen herunter, alte Männer überqueren die
Terrassen und Frauen und Kinder versammeln sich auf den Hausdächern. Wir
verlassen unsere Mauer im letzten Blau der Abenddämmerung und schleichen uns
nördlich vom Berg und in Sicherheit. Wir bleiben unentdeckt, auch wenn das
Gebell der Hunde im Tal sich vor Empörung fast überschlägt, als wir im Dunkeln
an ihnen vorbeikommen.
     
    Es ist
mitten am Nachmittag und wir sitzen im Schatten des Tarnnetzes, das über den
Hof gespannt ist. Seit Wochen hat es kein

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