Junger, Sebastian
in einem Leichensack
abgeliefert hat. Die Haubitzen in Blessing schießen 155er aus allen Rohren, um
das Feuergefecht zu flankieren, das im gesamten Korengal-Tal wütet - alle
Stellungen besetzt, die Mörser in Restrepo und im KOP ausgerichtet -, und ich
gehe hinunter zu den Geschützbatterien, um zuzusehen. Die großen dunklen Rohre
sind hoch in die Luft gerichtet und schnauben jedes Mal, wenn sie schießen, aus
ihren Mündungsbremsen seitlich Rauch aus. Eine Stunde lang beschießen sie den
Korengal und dann schweigen sie irgendwie widerwillig. Ich gehe den Berg
hinauf, um mich in meine Koje zu legen und darauf zu warten, dass das Wetter
aufklart. Leben auf der Hinterlandbasis: eine fiese Mischung aus besorgter
Vorahnung und Langeweile, von der man sich nur befreit, wenn man vorangeht -
dorthin, wo alles noch schlimmer ist.
»Ich habe
meinen ersten Bären in Alaska mit Pfeil und Bogen getötet«, sagt Lambert.
Nachdem
ich tagelang auf Luftstützpunkten gewartet habe, bin ich endlich nach Restrepo
gekommen. Es ist ein träger, heißer Tag - die Sturmtiefs sind nach Westen
geschoben worden -, und das Gespräch ist auf die Jagd gekommen.
»Hast du
noch eine Pistole dabei, wenn du mit dem Bogen jagst?«, fragt Patterson.
»Scheiße,
klar.«
Lambert
sagt, als Junge sei er immer früh aufgestanden, um Enten zu jagen, und sei dann
mit Entenblut beschmiert in der Schule aufgekreuzt.
»Und bist
du losgezogen, um Frösche zu stechen?«, fragt Patterson.
»Scheiße,
klar«, sagt Lambert.
»Und
Eichhörnchen jagen?«
»Scheiße,
klar. Mit 'ner kleinen Schrotflinte.«
»Hast du
mal auf Kühe Jagd gemacht?«
»Also komm
...«
Patterson
erzählt von einer Kuh, die in der Gabelung eines Baums feststeckte und die
niemand herausbekam. »Wir haben versucht, sie rauszuschießen, aber das hat auch
nicht geklappt.«
Das Thema
Kuh liegt in der Luft. Ein paar Wochen zuvor hatten die Männer eine Kuh
entdeckt, die für sich allein am Bergkamm entlanggetrottet war. Sie hatten sie
in den Drahtverhau gescheucht, der die Basis einzäunte. Als sie sich darin
verfangen hatte, war den Männern gar nichts anderes übrig geblieben, als ein
Kampfmesser mit Lassoband an einer Zeltstange zu befestigen und das Tier nach
Höhlenmenschenart zu töten. Zufällig - oder auch nicht - hatte ein schwarzer
Bursche namens Lackley, der ganztags als Koch unten im KOP arbeitete, gerade
den Aufstieg nach Restrepo gemacht, um in ein Feuergefecht verwickelt zu werden
und seinen »Combat Action Badge« zu bekommen. (Es klappte.) Als die Kuh tot
war, nahmen Murphy und Lackley sie aus und sägten ihr den Kopf mit einer
Weihnachtsbaumsäge ab. Dann kreierte Lackley ein Rezept, das den Namen
»Selber-Tag-Kuh« bekam. Er schnitt Fleischstreifen aus den Keulen, umwickelte
damit Zwiebeln, die er von den afghanischen Soldaten bekommen hatte, und
grillte sie auf einem Lagerfeuer vor der Hütte der Weapons Squad. Er benutzte
ein Hesco-Drahtgitter, das aus der Verkleidung gelöst worden war, als Grill.
Abgesehen von ein paar gefrorenen Steaks, die man vom KOP heraufgebracht
hatte, war dies das erste frische Fleisch, das die Männer in Restrepo seit fast
einem Jahr bekommen hatten.
Das Mahl
war eine Art Wendepunkt á la Der Herr der Fliegen - sie hatten
nur noch vier Monate vor sich, und die Disziplin ließ nach -, aber es hatte
auch Konsequenzen. Eines Nachmittags kurz nach meiner Ankunft kommen drei alte
Männer von Obenau zu Fuß herauf und bleiben vor dem Eingangstor stehen. Anfangs
ist Patterson erfreut - es ist das erste Mal, dass Älteste den Weg nach
Restrepo finden, was nur Gutes für die Vertrauenskampagne »Gewinnen wir Herz
und Verstand der Leute!« bedeuten kann -, aber nicht alle sind davon überzeugt.
»Ich glaube, es geht um die Kuh«, raunt mir O'Byrne zu, als wir zum Ort der
Beratung gehen. Die Ältesten sitzen auf einer Reihe von Sandsäcken bei der
ANA-Hütte, und Patterson und Abdul, der Dolmetscher, sitzen ihnen gegenüber.
Die Ältesten kommen schnell zur Sache.
»Die
Kuh?«, sagt Patterson. »Die haben wir getötet, weil sie in unseren Drahtverhau
gerannt ist und sich so im Natodraht verfangen hat, dass wir sie töten mussten,
um sie von ihren Qualen zu erlösen. Darum haben wir sie getötet.«
»Sie
fragen danach, weil das illegal ist«, sagt Abdul.
»Illegal?«
»Ja,
illegal.«
»Also, sie
hatte sich verfangen und hing bereits tot im Draht, also das war, ich meine, da
war doch für uns gar nichts anderes zu machen.«
»Der
Besitzer
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