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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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Feuergefecht mehr gegeben, und die
Männer werden langsam etwas komisch: Streitereien in einer bisher unbekannten
Schärfe und plötzliche Spannungen, die für die kommenden Monate nichts Gutes
ahnen lassen. Der April gilt eigentlich als der Beginn der Kampfperiode, und
die Tatsache, dass nichts passiert, ist verantwortlich für die üble Stimmung:
eine Mischung aus Stumpfsinn undTatendurst.Wenn die Männer unter Feuer wären,
hätten sie wenigstens etwas zu tun, aber so erleben sie das Schlimmste beider
Welten: alle Erwartungsangst und kein Adrenalin. Der Sanitäter Doc Shelke, der
zu Besuch ist, spricht vom Hinduismus, und Abdul, der afghanische Dolmetscher,
hört zufällig mit. »Hindu ist Bullshit«, sagt er.
    Shelke
sieht aus, als könnte er aus Indien stammen. Er bleibt gefasst. »Das letzte
Mal, dass ein Dolmetscher mir so gekommen ist, hab ich den Islam derart in den
Dreck gezogen, dass ihm die Tränen gekommen sind«, sagt er.
    Es war
eine ziemlich dumme Bemerkung von Abdul, und er spricht nicht gut genug
Englisch, um ein faires oder auch nur interessantes Wortgefecht zu führen. Um
zu versuchen, einer weiteren Stunde öder Langeweile vorzubeugen, bringt O'Byrne
seine religiösen Anschauungen ins Spiel. »Ich glaube nicht an den Himmel und auch
nicht an die Hölle. Und ich will kein Leben nach dem Tode«, sagt er. »Ich
glaube daran, Gutes im Leben zu tun, und dann stirbt man. Ich glaube nicht an
Gott und hab auch noch nie die Bibel gelesen. Ich glaub nicht an den Scheiß,
weil ich es nicht will.«
    Betretene
Stille. Ein anderer Sergeant sagt etwas Belangloses über eine bevorstehende
Patrouille.
    »Was - das
Gespräch wird ernst und du wechselst das Thema?«, sagt O'Byrne. »Wir reden
über Religion. Und darüber darf man nicht einfach
so daherquatschen.«
    Andauerndes
Schweigen. Niemand weiß etwas zu sagen. »Mami haute Papi, und dann haute Papi
Mami«, versucht es schließlich ein Private.
    Die
Stimmung entspannt sich, als Airborne, ein Welpe, den der 2 nd Platoon von den afghanischen Soldaten bekommen hat, auf den Hof wandert. Man
hat ihn Airborne genannt, weil die Soldaten, die im Juli übernehmen - die Viper
Company der l st Infantry Division - der ganz normalen Infanterie
angehören, und es darum geht, sie immer wieder auf ihre Minderwertigkeit zu
stoßen, wenn sie nach dem Hund rufen. (Das ging nach hinten los: Man erzählte
mir, dass jemand Airborne zur Müllverbrennung mitgenommen und erschossen
hatte.) Airborne streunt normalerweise in der Basis herum und bellt, sobald
sich draußen vor dem Drahtverhau etwas regt, aber vor ein paar Tagen war er auf
einmal verschwunden und tauchte erst im KOP wieder auf. Jemand band ihn mit
einer Fallschirmleine fest, aber die hatte er schnell durchgekaut. Danach
folgte er der nächsten Ablösung hinauf nach Restrepo.
    Jetzt aber
wandert Airborne von Mann zu Mann, knabbert an Stiefeln und wird von groben
Händen im Staub gewälzt. »So, du fühlst dich also stark, hm?«, sagt Moreno und
malträtiert den Hund mit schnellen Jabs wie ein Boxer. »Nimm das hier, du
kleiner Mistkerl.« Die Company meldet sich plötzlich aus dem Funkraum: »Zur
Information: Man hat eine Einunddreißig und eine Achtunddreißig in Pakistan
abgeworfen«, sagte eine Stimme. Alle wenden den Blick von Airborne und sehen
auf: Einunddreißiger und Achtunddreißiger sind Bomben. Und es ist nicht
vorgesehen, dass sie in anderen Ländern landen.
    Die
einzigen Männer, die ich in Restrepo je habe beten sehen, waren Afghanen, und
während der gesamten Zeit, die ich dort draußen war, kam das Thema Religion nur
einmal zur Sprache. Es war ein schöner Frühlingsabend, und wir saßen auf der
Munitionshütte, rauchten Zigaretten und unterhielten uns über ein kürzliches
TIC. Ein Mann nach dem anderen ging, bis ich schließlich mit Sergeant Alcantara
alleine war. Er beschloss, mir von einem Gespräch zu erzählen, das er kürzlich
mit dem Geistlichen des Battalions gehabt hatte. Wetterleuchten blitzte stumm
über dem Tal, und wir konnten Apaches hören, die weiter nördlich am Pech ihre
Arbeit taten.
    »Vater, es
ist doch so, dass Gott in Gestalt von Christus auf die Erde kam und für unsere
Sünden starb - stimmt's?«, fragte Al.
    Der
Geistliche nickte.
    »Und er
starb einen qualvollen Tod, aber er wusste, dass er in den Himmel kommen würde
- stimmt's?« Wieder nickte der Geistliche.
    »Und wieso
ist sein Opfer größer als das eines Soldaten in diesem Tal, der keine
Ahnung hat, ob er in den Himmel

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