Jungs sind keine Hamster
hatte. „Ruf mich bitte an, okay?“, sagte er noch, dann lief er weg.
Ich stand wie angewurzelt auf dem Schulhof und war verwirrt. Es fing an zu nieseln. Er mochte mich. Behauptete er. Und wie eine groß angelegte Superverarsche, bei der ich mich zum Schluss zum Megagespött machen würde, hatte sein Gestammel nicht geklungen. Oder?
Hast du wirklich geglaubt, ich würde dich mögen? Dich kleinen freakigen Zwerg? Wie kann man nur so dumm sein! Niemand mag dich und niemand wird dich jemals mögen, hallte eine böse Stimme in meinem Kopf.
Nein. Ich war mir ziemlich sicher, dass er es ernst meinte. Aber was sollte ich jetzt machen? Ich musste mit Lore darüber sprechen. Allerdings konnte ich mir schon ziemlich genau vorstellen, was sie sagen würde: „Marvin Aap ist ein Arschloch!“
Ich war vollkommen durcheinander und wollte mich nur noch in meinen Sessel hauen, den besten Platz zum Nachdenken auf der ganzen Welt.
Nachdem ich mein Fahrrad aus dem Gebüsch gezogen hatte, sah ich, dass beide Reifen platt waren. Ich stöhnte, aber ärgerte mich nicht mal. Ich zuckte nur mit den Schultern, ließ das Rad im Gebüsch liegen und ging das kurze Stück zur Bushaltestelle. Keine fünf Minuten später kam die Linie 231, die mich bis kurz vor die Haustür bringen würde. Ich stieg ein, zeigte meine Monatskarte und ging durch den vollen Bus nach hinten. Dort warf ich mich in die letzte Reihe, direkt ans Fenster, und beobachtete die Regentropfen, die vom Fahrtwind angetrieben quer über die Scheibe sausten, als wären sie Sprinter in einem Hundertmeterlauf. Zwei Haltestellen weiter entdeckte ich die beiden Idioten und Marvin, bei dem ich mir nicht mehr ganz so sicher war, ob er ein Idiot war. Sven und Justin feixten und schubsten sich gegenseitig in den Coffeeshop. Irgendwie erinnerten die mich an meinen letzten Zoobesuch, einem von meiner Mutter anberaumten Pflichttermin. Sie war der Meinung, die Familie müsse mehr zusammen unternehmen, um zusammenzuwachsen. Ich saß meine Zeit im Affenhaus ab und beobachtete zwei Schimpansen, die sich durchs Gehege jagten, schubsten und mit Kacke bewarfen, während Jakob und meine Mutter die Tiere im Streichelzoo verrückt machten.
Marvin schlurfte hinter Sven und Justin in den Laden. Schubste nicht mit. Er drehte sich um und ich rutschte den Sitz runter, damit er mich nicht entdeckte. Dann verschwand auch Marvin im Coffeeshop und der Bus fuhr weiter.
Als ich die Haustür öffnete, war meine Mutter anscheinend gerade auf dem Sprung. Sie stand im Flur und zog sich die Jacke an.
„Willst du was essen?“, fragte sie.
„Nee. Keinen Hunger“, antwortete ich und stiefelte an ihr vorbei die Treppen hoch.
„Wenn du Hunger kriegen solltest, es steht was im Kühlschrank.“
„Okay.“
„Musst du dir nur warm machen. Ich muss jetzt los.“
„Mach ich!“, rief ich und verschwand in meinem Zimmer.
Mit Marvins Zettel in der Hand setzte ich mich in meinen Sessel und dachte nach. Was ganz schön schwierig war, weil sich ständig mein Bauch einmischte. Ob ich ihn wirklich anrufen sollte? Aber was würde dann passieren? Was erwartete er von mir? Erwartete er überhaupt irgendwas? Und was wollte ich überhaupt? Wir passten doch gar nicht zusammen! Wir waren wie Feuer und Wasser. Er war hübsch, immer in Markenklamotten gekleidet und von dämlichen Freunden umgeben. Und ich? Ich war das Gegenteil. Eigentlich war doch alles klar. Wir konnten unmöglich zusammenpassen. Aber warum hörte mein Bauch nicht auf, verrückt zu spielen? Meine Gedanken machten Sprünge. Rannten durcheinander. Ich versuchte sie wieder einzusammeln und fing an zu schreiben.
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Wie ähnlich sollte man sich sein?
Muss dein Freund so ticken wie du? Oder ziehen sich Gegensätze an? Ist es sinnvoll, nach einer Kopie seiner selbst zu suchen oder ist es besser, wenn man komplett anders ist als sein Freund? Kurze Antwort: Ich weiß es nicht.
Wenn man immer einer Meinung ist, immer alles gleich doof oder gleich supi findet, kann es ganz schön langweilig werden. Aber da man in einer Beziehung bekanntlich sehr viel Zeit miteinander verbringt, sollte man schon ein paar Dinge gemeinsam haben. Zum Beispiel denselben Humor. Denn warum sollte man Zeit mit jemandem verbringen, mit dem man sich nicht kringelig lachen kann? Ein paar gemeinsame Interessen sind auch wichtig. Liebt er Sport und will quasi ständig Fußball sehen oder spielen, du möchtest aber lieber kuscheln, Ballett gucken oder Topflappen häkeln, sind
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