Jungs sind wie Kaugummi - süß und leicht um den Finger zu wickeln (German Edition)
Fortschritt gewesen: Konstantin glaubte jetzt, dass ich eins von den Mädchen war, die sich nicht mit ein bisschen Knutschen zufriedengaben, und er nannte mich auch nicht mehr Elsbeth. Ich war zufrieden mit mir und dichtete gleich noch eine weitere Strophe für meinen Song:
Ich will es heute wissen und mich nicht mehr verpissen. Ich find es aber voll den Scheiß, dass ich nicht viel mehr von dir weiß. Mein Kopf ist voll von Watte, da ist kein Platz für Mathe.
Das waren echt geniale Zeilen, zumal in dem guten Rap Worte wie »Scheiße« und »verpissen« vorkommen müssen. Allerdings war ich mir nicht ganz sicher, ob man » den Scheiß « sagen konnte, weil eigentlich heißt es ja »die Scheiße« – aber vermutlich ist das wegen der Rechtschreibreform sowieso scheißegal.
Das Schrecklichste an der Schule ist Chemie bei der Klempererer. Diese Frau ist die gemeinste und bösartigste Person, die jemals auf Erden gewandelt ist. Ich bin sicher, dass sie an Gemeinheit sogar Lord Voldemort übertrifft, weshalb wir sie manchmal auch »Lady Voldemort« nannten. Natürlich nur, wenn sie nicht zuhörte. Die Klemperer hätte niemals Lehrerin werden sollen. Erstens spuckt sie beim Sprechen und zweitens hasst sie Mädchen, insbesondere Blondinen und hier insbesondere Kati und mich. Kati und ich vermuten, dass der Mann von der Klemperer sie wegen einer Blondine verlassen hat oder so was. Ich hatte in einem Monat bereits zwei Eintragungen ins Klassenbuch von ihr erhalten, von wegen stören und so. Dabei hatte ich nur ganz leise meine Französischhausaufgaben von Leni abgeschrieben, weil ich mit meinem Arbeitsblatt schon fertig gewesen war, beziehungsweise das andere Mal – ebenfalls ganz leise – Schiffe versenken gespielt. Das Problem war, dass das Gürteltier angedroht hatte, die Schüler mit mehr als fünf Einträgen von der Klassenfahrt im März auszuschließen, und Lady Voldemort wusste das.
Es hatte auch keinen Sinn, mit ihr zu diskutieren. Sie war unnachgiebig wie ein tiefgefrorenes Fischstäbchen.
»Noch ein Eintrag für das chaotische Blondschöpfchen und es gibt eine schriftliche Verwarnung nach Hause«, hatte sie das letzte Mal gesagt. Na toll, Mama würde mir bestimmt nicht glauben, dass ich nur ganz brav Schiffe versenken gespielt habe, nachdem ich das Arbeitsblatt für die sogenannte Stillarbeit schon längst fertig gemacht hatte. Mit den zwei Einträgen von der Klemperer und einem von Alke wegen dreimal »vergessene« Hausaufgaben lag ich in der Statistik Kopf an Kopf mit Meinrad Sost – dem unangefochtenen König der Klassenbucheinträge. Letztes Jahr hatte er ungelogen eine Art Kaiman in die Lehrertoilette geschmuggelt. Die Lehrerin, die den Klodeckel angehoben hatte und von dem Minikrokodil angegähnt worden war, hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten. Aber Meinrad war absoluter Klemperer-Liebling. Sie behandelte Jungs im Allgemeinen recht nachsichtig, sie dürfen im Gegensatz zu uns Mädchen machen, was sie wollen. Die große Ausnahme war allerdings der arme Simon Drücker. Den schien Lady Voldemort fast noch weniger leiden zu können als Kati und mich, was ich auf Simons Pickel und Klemperers falsch verstandenen Sinn für Ästhetik schob. Falsch verstanden insofern, als sie zwar Simons Pickel für hässlich, ihren dunkelbraunen Glitzernagellack aber für schön hielt. Simon ließ sich nichts zuschulden kommen, weswegen die Klemperer ihn nur mit schlechten Noten und gemeinen Bemerkungen über alkoholhaltige Gesichtswässerchen strafen konnte. Und einmal verpasste sie ihm einen Klassenbucheintrag wegen »unerlaubten unhygienischen Handlungen während des Unterrichts«, weil er sich an einem Pickel gekratzt hatte. Meinrad hatte nicht mal einen Eintrag bekommen, als er einen Haufen Schneebälle mit in die Klasse brachte und sie in Robert Lakowskis Schultasche schmelzen ließ.
Chemie ist aber nicht nur wegen der Klemperer schrecklich, sondern auch, weil der sogenannte Chemiesaal in dem alten Pavillon liegt, einem dieser Schulcontainer in Leichtbauweise, die immer dann aus dem Boden gestampft werden, wenn die Schülerzahlen kurzfristig in die Höhe schnellen. Das war an unserer Schule zuletzt Ende der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts der Fall gewesen und der Pavillon war seit damals noch nicht renoviert worden.
Er schimmelte fröhlich vor sich hin, und es gab immer noch die komischen Heizungskästen, die entweder eiskalt blieben oder so heiß wurden, dass man sich den Hintern daran verbrannte.
Weitere Kostenlose Bücher