Jungs sind wie Kaugummi - süß und leicht um den Finger zu wickeln (German Edition)
wir schon seit Wochen verabredet.«
»Mal sehen, wie du dich bis dahin benimmst«, sagte meine Mutter.
Und ich benahm mich in der Tat vorbildlich. Ich räumte sogar ohne Aufforderung das Geschirr in die Spülmaschine und fütterte den Kater.
Dann klingelte das Telefon.
Anna und ich lieferten uns wie immer einen Wettlauf.
Diesmal gewann Anna, aber nur, weil sie einen unfairen Ellbogencheck anwendete. Sie murmelte ein paarmal »Ja, ja, ist gut« ins Telefon, dann legte sie auf und sagte: »Das war dein Nachhilfelehrer. Er ist krank, die Nachhilfestunde morgen fällt aus.«
»Warum hast du ihn mir nicht gegeben?«, rief ich. Dann hätte ich wenigstens mal seine Stimme hören können. »Und was hat er denn überhaupt?« Vielleicht brauchte er jemanden, der ihm nasse Tücher auf die Stirn legte und seine Hand hielt.
»Darmgrippe«, sagte Anna höhnisch. »Er kackt den ganzen Tag.«
»Uäääh«, machte ich.
Am nächsten Nachmittag ging ich dann mit Mama einkaufen statt zum Nachhilfeunterricht, und obwohl Meinrad und Robert Lakowski wieder mal mit ihren Skateboards auf dem Aldiparkplatz herumfuhren, trug ich klaglos das Klopapier zum Auto. Im Drogeriemarkt wollte meine Mutter dann einen neuen Lippenstift kaufen. Ich wusste, was mich erwartete, und normalerweise hätte ich dankend abgelehnt, aber ich wollte unbedingt beweisen, dass ich ihr Vertrauen wert war und kam mit.
In aller Seelenruhe schaute sich Mama jeden einzelnen der siebentausend Lippenstifte genau an, dann schnappte sie sich die nächste Verkäuferin und fing an: »Sie hatten von Ellen Betrix mal einen Lippenstift in der Farbnuance Rosenholz, in einer goldweißen Hülle. Genau den
hätte ich gern wieder.«
»Meinen Sie diesen hier?«
»Ja, aber den scheint es in Rosenholz nicht mehr zu geben.«
»Da haben Sie leider recht. Aber von L’Oreal gibt es auch einen sehr schönen Rosenholzton. Sehen Sie mal.«
»Das ist aber nicht der gleiche. Der hier geht eher ins Orange.«
»Und was ist mit diesem hier? Der ist sogar kussecht.«
»Ich weiß nicht. Das ist doch eher ein Braun.«
Es war wirklich nicht zum Aushalten. Und megapeinlich dazu. Ich suchte unauffällig das Weite, wohlwissend, dass das noch stundenlang dauern konnte. Vielleicht fand ich hier ja irgendwo eine Dose Gänsefett.
»Entschuldigung, Gänsefett, wo steht das?«, fragte ich eine Verkäuferin.
»Gänsefett? Wofür brauchst du das denn?«
Also, das ging sie ja nun wirklich nichts an. »Äh, Sie wissen schon«, sagte ich.
»Ich glaube nicht, dass wir was mit Gänsefett führen. Wir haben aber eine sehr schöne Ringelblumensalbe auf Melkfettbasis«, schlug die Verkäuferin vor. »Vielleicht tut die es ja auch.«
Ich zuckte mit den Schultern. Woher sollte ich das denn wissen? Missmutig schlenderte ich die Regale entlang. Als ich auf die Diätdrink-und Fertigvollwertmenü-Abteilung zuwanderte, wurde ich um ein Haar von einem Einkaufswagen überrollt. Ich konnte gerade noch beiseitespringen. Der Steuermann war niemand anders als Godzilla, die Mutter des petzenden Fruchtzwerges aus dem Schulbus neulich. Ich konnte von Glück reden, dass sie mich nicht wiedererkannt hatte, denn sie träumte bestimmt seit unserer letzten Begegnung davon, mir den Hals umzudrehen.
Ein Regal weiter traf ich dann auch auf ihren Sprössling. Er war gerade dabei, sich seine Anoraktaschen mit Zahnpflegekaugummis vollzustopfen. Sieh einer an! So viel kriminelle Energie in so einem kleinen Kerlchen. Immerhin achtete er auf seine Zähne.
Ich schlich mich leise an ihn heran und brüllte dann unvermittelt in sein Ohr: »Wie schmecken denn die?«
»Aaaaaargh!«, gurgelte der Fruchtzwerg. Sein Gesicht wurde joghurtbleich, seine Unterlippe zitterte.
»Mama!«, flüsterte er.
»Die gurkt da vorne mit dem Einkaufswagen herum. Du musst schon lauter rufen.«
Der Fruchtzwerg regenerierte sich etwas. »Meine Mama macht dich platt«, sagte er.
»Ja, aber dich sicher auch, wenn sie die vielen gesunden Kaugummis in deiner Tasche sieht«, sagte ich. »Los, ruf sie doch her.«
Der Fruchtzwerg griff sich links und rechts an die Anoraktaschen, als ob er sein Diebesgut schnell zurücklegen wollte. Aber dann hielt er mit verzweifelter Miene inne.
»Oho, da tummeln sich auch noch ein paar Fruchtgummis und Traubenzucker, was?«, schloss ich messerscharf und der Fruchtzwerg zitterte wieder mit der Unterlippe.
In diesem Augenblick bog Godzilla mit dem Einkaufswagen um die Ecke und dieses Mal erkannte sie mich und eilte zur
Weitere Kostenlose Bücher