Jungs sind wie Kaugummi - süß und leicht um den Finger zu wickeln (German Edition)
»Wenigstens den Ton können wir ja abdrehen«, schlug er unsicher vor.
Angie ließ sich auf die Rückbank fallen und der Busfahrer fiel auf sie drauf. Was dann geschah, konnte ich nicht sehen, weil ich die Augen zumachen musste. Es war einfach zu – uäääääh!
Jakob schien das auch zu finden. Ich hörte, wie er nach Atem rang.
»Ich hätte nicht gedacht, dass man alles so genau sieht«, hörte ich ihn sagen. »Ich dachte immer, die spielen das nur.«
»Und ich dachte, man würde sich vorher küssen und Signale senden und . . .«, sagte ich mit fest geschlossenen Augen.
»Das muss man sich wirklich nicht freiwillig antun«, sagte Jakob. Ich hörte, wie die DVD aus dem Recorder fuhr. »Du kannst die Augen wieder aufmachen, Sissi. Ich habe ausgemacht.«
Ich sah auf den dunklen Bildschirm und seufzte erleichtert. »Hättest du doch nur Pünktchen und Anton genommen.«
»Ich konnte doch nicht wissen, dass es so – grässlich sein würde«, sagte Jakob. »Aber wenn du hingeschaut hättest, wüsstest du jetzt wenigstens, wie es geht.«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Vielleicht wäre ich dann mein Leben lang Jungfrau geblieben.«
»Ich finde sowieso, man sollte so etwas nicht übereilen«, sagte Jakob. »Im Internet steht, dass über vierzig Prozent aller Jugendlichen ihren ersten Geschlechtsverkehr erst mit achtzehn und später haben.«
»Aber das sind wahrscheinlich genau die vierzig Prozent, die sowieso keiner haben will«, gab ich zu bedenken.
»Quatsch«, sagte Jakob und packte »Angie« zurück in die DVD-Hülle. »Was ist nur mit dir los? Früher warst du doch nicht so. Dir war immer völlig egal, was andere von dir denken.«
»Die Zeiten ändern sich«, sagte ich und zuckte mit den Schultern.
Jakob hielt mir die DVD unter die Nase. »Was machen wir jetzt damit?«
»Wir bringen sie zurück«, schlug ich vor. »Und leihen uns was anderes aus. Was Nettes. So was wie Ice Age .«
»So blöd, wie dieser Typ ist, merkt er wahrscheinlich nichts«, sagte Jakob. »Aber was ist, wenn jemand anders sich Pünktchen und Anton ausleihen will und stattdessen Angie und den Busfahrer anschauen muss?«
»Oh, mein Gott«, sagte ich. Jakob und ich wurden gleichermaßen von Mitleid für diese arme unwissende Person ergriffen. Selbstlos beschlossen wir daher, vorzubauen und im Videoladen für Ordnung zu sorgen. Das war wieder mal der Kämpfer für Ehre und Gerechtigkeit, der sich in mir meldete. Eigentlich hätte ich gleich wissen müssen, dass das wieder nur Ärger geben würde.
Wir fuhren mit dem Fahrrad zur Videothek, Jakob mit seinem Rennrad, ich mit dem Rad seiner Mutter. Es war erst kurz vor neun, als wir in der Videothek ankamen, das Geschäft hatte bis elf geöffnet. Es war kaum was los, nur ein älteres Ehepaar wanderte unschlüssig zwischen den Regalen hin und her.
Der Aushilfsverkäufer oder vielmehr -verleiher stand hinter der Theke und sah wirklich so dumm aus, wie Jakob geschildert hatte. Ein bisschen hatte er Ähnlichkeit mit dem Busfahrer aus der DVD, fand ich. Was ihn nicht gerade sympathischer machte. Jakob holte tief Luft und legte die Angie-DVD vor ihn auf die Tischplatte.
»Die möchte ich zurückgeben«, sagte er. »Das ist die falsche DVD. Ich hatte Pünktchen und Anton ausgeliehen. Diese hier handelt von einem Busfahrer.«
»Was weiß denn ich?«, knurrte der Aushilfsverleiher.
Das ältere Ehepaar kam ebenfalls an die Theke. »Sagen Sie, haben Sie Filme mit Katharine Hepburn?«
»Wer soll denn dat sein?«
»Sie kennen Katharine Hepburn nicht?«
»Nä, und wenn se tot is, haben wir se auch nit.«
Das Ehepaar verkrümelte sich wieder zu den Regalen. Dort stritten sie sich leise darüber, ob Katharine Hepburn nun schon tot sei oder nicht.
»Hier muss eine Verwechslung vorliegen«, fing Jakob noch mal von vorne an. »Ich wollte Pünktchen und Anton sehen und nicht diesen – Mist hier.«
»Was is ’n das überhaupt?« Der Typ nahm Jakob die DVD aus der Hand und suchte nach der entsprechenden Nummer in den Regalen hinter ihm. Dort zog er dann Pünktchen und Anton heraus, natürlich. »Das is doch korrekt, Junge.«
Jetzt kam das Ehepaar wieder an die Theke. »Haben Sie denn was mit Cary Grant?«
»Das ist auf jeden Fall die falsche DVD«, sagte Jakob.
»Oder was mit Ingrid Bergman?« Der Ehemann ließ nicht locker.
»Oder was mit Cary Grant und Ingrid Bergman«, fügte die Ehefrau hinzu.
»Momentchen!« Genervt schob der Typ die Angie-DVD in seinen eigenen DVD-Player. Der
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