Jungs sind wie Kaugummi - süß und leicht um den Finger zu wickeln (German Edition)
»Leider ist dem Besitzer der Videothek ein verhängnisvoller Irrtum widerfahren. Die DVD in der Packung war – nun, sie war nicht für Kinder gedacht. Die beiden haben sie zurückgebracht, und da eine solche Begebenheit gegen das Jugendschutzgesetz verstößt, sind wir gerufen worden. Nach der ganzen Aufregung erschien es uns besser, die Kinder nach Hause zu bringen.«
»Ich verstehe«, sagte Mama, aber sie sah keinesfalls verständnisvoll aus. »Dann danke ich Ihnen vielmals.«
»Es liegt bei Ihnen, Anzeige gegen die Videothek zu erstatten. Aber ich glaube, Ihre Tochter hat keine bleibenden Schäden davongetragen«, sagte der eine Polizist.
»Da haben Sie wohl recht.« Mama sah mich durchdringend an. »Jedenfalls noch nicht. Auf Wiedersehen und vielen Dank jedenfalls.«
Mich packte die nackte Furcht. Am liebsten wäre ich wieder mit den Polizisten mitgefahren. Aber die stiegen in aller Seelenruhe in ihr Auto und fuhren davon.
Mama griff nach meinem Arm. »Und jetzt der Reihe nach, du kleines Monster«, zischte sie.
»Also, das war so«, begann ich, aber Mama wollte überhaupt nicht hören, was ich zu sagen hatte. Sie griff schon nach dem Telefon.
»Was machst du da?«
»Ich rufe bei deiner Freundin Kati an«, sagte Mama und da hatte sie auch schon Katis Mama an der Strippe. Die wusste natürlich weder etwas von Katis Krankheit noch von einer Verabredung mit mir. Mama nickte grimmig in den Hörer und wünschte noch einen schönen Abend.
Ich wich sicherheitshalber schon mal bis zur Treppe zurück.
»Du hast mich vorsätzlich angelogen«, sagte Mama mit Tränen in den Augen, und das war in der Tat kein guter Ausgangspunkt. Alles, was ich dann noch zu sagen hatte, von wegen, dass ich zum Lügen quasi gezwungen worden sei und so, hätte die Sache nur noch schlimmer gemacht. Ich ließ den Kopf hängen und erwartete die unvermeidliche Standpauke.
Aber die blieb aus. »Wir reden morgen darüber«, sagte sie und wandte sich ab, aber ich konnte gerade noch sehen, dass sie sich über die Augen wischte, und das war irgendwie schlimmer, als wenn sie getobt und geschrien hätte. Ich trottete in mein Zimmer und fühlte mich echt mies. Und dabei – das war beinahe das Schlimmste – hatte ich immer noch keine Ahnung, was man nun bei einem Zungenkuss mit den Zungen machen musste.
Das Gespräch, das Mama am nächsten Morgen mit mir führte, verdiente den Namen gar nicht.
»Jetzt hast du den Bogen endgültig überspannt!« Mama sah unglaublich böse aus. »Da reicht man dir den kleinen Finger . . . und du missbrauchst mein Vertrauen so hinterhältig. Du wirst dich bis zur Klassenfahrt nicht mehr aus dem Haus rühren, außer zur Schule. Hast du verstanden?«
»Aber die Klassenfahrt ist erst in einer halben Ewigkeit!«, rief ich aus.
»In drei Wochen. Genau«, sagte meine Mutter. »Und wenn du dir bis dahin auch nur noch das Geringste zuschulden kommen lässt, fährst du nicht mit. Hast du das verstanden?«
Ich seufzte. »Ja«, sagte ich.
Aber der Hausarrest war natürlich nicht alles. In ihrer schlaflosen Nacht hatte Mama sich eine Menge anderer Strafen für mich einfallen lassen. Für die Dauer meines Gefängnisaufenthalts musste ich die Spülmaschine ausräumen, die Waschbecken schrubben und die Treppe putzen. Außerdem die Garage aufräumen und die Wäsche aufhängen.
»Ist das alles?«, fragte ich ironisch.
»Mir wird schon noch mehr einfallen«, sagte Mama, keine Spur ironisch. Sie ging sogar so weit, dass sie bei Jakobs Eltern anrief, die inzwischen leider aus dem Urlaub zurückgekommen waren, und ihnen die ganze Geschichte erzählte, von wegen Pornofilm ausgeliehen und von der Polizei nach Hause gebracht. Das fanden Jakobs Eltern nicht weiter schlimm, richtig sauer waren sie nur, weil wir Jakobs Fahrrad und das Rad seiner Mutter vor der Videothek hatten stehen lassen. Als Jakob am Morgen gekommen war, um sie abzuholen, waren sie leider gestohlen worden. Jakob bekam ebenfalls Hausarrest aufgebrummt, allerdings nur für eine Woche.
Die Tage im Gefängnis waren nicht besonders erbaulich. Mama kniff auf höchst unangenehme Art und Weise die Lippen zusammen, wenn sie mich ansah, und sie schüttelte praktisch den ganzen Tag den Kopf, als könne sie einfach nicht fassen, was für eine fürchterlich missratene Tochter sie habe.
Auch mein Vater wurde über meine Missetaten informiert und führte ein längeres Telefonat mit mir.
»Sieh mal, Lisa«, sagte er. »Jeder macht mal Fehler, aber der Kluge lernt daraus.
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