Jurassic Park
geblieben? Oder hatte sie entkommen können? Er konnte sich noch immer nicht an den genauen Ablauf des Angriffs erinnern. Er wußte nicht mehr richtig, was eigentlich passiert war. Aber schon bei dem Gedanken daran bekam er ein mulmiges Gefühl. Er stand mitten auf der Straße und hielt vor Angst die Luft an. »Lex!«
Die Nacht schien ihn einzuhüllen. Selbstmitleid überkam ihn, er setzte sich in eine kalte Regenpfütze und weinte ein wenig. Aber das Weinen hörte auch nicht auf, als er selbst nicht mehr schluchzte. Da weinte noch jemand. Zumindest klang es wie Weinen. Außerdem war da noch ein komisches, hohl klopfendes Geräusch, ganz schwach. Es kam von irgendwo weiter oben an der Straße.
»Wie lange dauerte es jetzt schon?« fragte Muldoon, als er in den Kontrollraum zurückkam. Er trug einen schwarzen Metallkoffer.
»Halbe Stunde.«
»Der Jeep müßte inzwischen zurück sein.«
Arnold drückte seine Zigarette aus. »Ich bin mir sicher, daß sie jeden Augenblick zurückkommen.«
»Immer noch keine Spur von Nedry?« fragte Muldoon.
»Nein. Noch nicht.«
Muldoon öffnete den Koffer, der sechs tragbare Funkgeräte enthielt. »Ich werde die an das Personal im Gebäude verteilen.« Er gab Arnold ein Gerät. »Nehmen Sie auch das Ladegerät. Der Akku ist leer. Das sind unsere Notfallgeräte, aber ans Netz angeschlossen hat sie natürlich niemand. Laden Sie sie ungefähr 20 Minuten auf und versuchen Sie dann, die Autos zu erreichen.«
Henry Wu öffnete die Tür mit der Aufschrift BEFRUCHTUNG und betrat das dunkle Labor. Es war niemand da; offensichtlich saßen die Techniker noch immer beim Essen. Wu ging direkt zum Computerterminal und holte sich die DNS-Logbücher auf den Bildschirm. Die Logbücher mußten per Computer geführt werden. Die DNS war ein so großes Molekül, daß zehn Gigabyte an Speicherplatz auf Optical Disks nötig waren, um die Details aller Versionen zu speichern. Wu mußte alle 15 Arten überprüfen. Es war eine Riesenmenge an Information, die er durchzusehen hatte. Es war ihm nicht ganz klar, warum Grant die Frosch-DNS für so wichtig hielt. Für Wu bestand wenig Unterschied zwischen den einzelnen DNS-Arten. Schließlich war ein Großteil der DNS bei allen Lebewesen identisch. Wu wußte, daß die DNS eine unglaublich alte Substanz war. Die Menschen, die durch die Straßen der modernen Welt gingen und ihre rosigen neugeborenen Babys auf dem Arm trugen, machten sich kaum bewußt, daß die Substanz, die allem zugrunde lag, die Substanz, die den Reigen des Lebens in Gang setzte, eine chemische Verbindung war, die fast so alt war wie die Erde selbst. Die DNS war ein so altes Molekül, daß dessen Entwicklung im wesentlichen bereits vor über zwei Milliarden Jahren abgeschlossen war. Seitdem hatte sich kaum noch etwas getan. Ein paar neuere Kombinationen der alten Gene, aber auch davon nicht viel.
Wenn man die DNS eines Menschen mit der einer primitiven Bakterie verglich, stellte man fest, daß sich nur etwa zehn Prozent der Stränge unterschieden. Dieser inhärente Konservativismus hatte Wu dazu ermutigt, jede beliebige DNS zu benutzen. Bei der Schaffung der Dinosaurier war er mit der DNS umgesprungen wie ein Bildhauer mit Ton oder Marmor. Er hatte frei gestaltet. Wu startete das Computersuchprogramm. Da er mit zwei bis drei Minuten Wartezeit rechnen mußte, stand er auf und kontrollierte aus Gewohnheit die Instrumente im Labor, darunter auch das Gerät an der Gefrierschranktür, das die Temperatur aufzeichnete. Der Kurvenlauf zeigte einen Ausreißer. Komisch, dachte er. Es bedeutete, daß jemand den Gefrierschrank betreten hatte. Und zwar erst vor kurzem, in der letzten halben Stunde. Aber wer ging abends da hinein?
Mit einem Blinken zeigte der Computer an, daß der erste Suchdurchlauf beendet war. Wu ging hin, um nachzusehen, was er gefunden hatte, und als er die Daten auf dem Bildschirm sah, vergaß er den Gefrierschrank und den Ausreißer in der Kurve.
LEITZKE DNS-SUCHALGORITHMUS
DNS. Version Suchkriterium: RANA (alle, Frag mentlänge > 0)
Die Suchergebnisse waren eindeutig: Alle sich fortpflanzenden Dinosaurier enthielten RANA- oder Frosch-DNS, aber keins der anderen Tiere. Wu verstand immer noch nicht, warum dies zur Fortpflanzung führte. Aber er konnte nun nicht mehr leugnen, daß Grant recht hatte. Die Dinosaurier vermehrten sich. Er lief hinauf in den Kontrollraum.
Lex
Sie lag zusammengekauert in dem einen Meter dicken Abflußrohr, das unterhalb der Straße verlief.
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