Jurassic Park
betont auffällig auf ihre Uhren. »Worauf warten wir eigentlich?« fragte einer.
»Auf einen noch«, erwiderte Lewis Dodgson. »Wir brauchen noch einen.« Auch er sah auf seine Uhr. Aus Ron Meyers Büro hatte er erfahren, daß er mit der 18-Uhr-Maschine aus San Diego kommen werde. Auch wenn man den Verkehr vom Flughafen in die Stadt berücksichtigte, sollte er eigentlich schon hier sein.
»Sie brauchen eine beschlußfähige Anzahl?« fragte einer der Direktoren. »Ja«, antwortete Dodgson. »Die brauchen wir.«
Das brachte sie für einen Augenblick zum Schweigen. Eine beschlußfähige Anzahl bedeutete, daß man von ihnen eine wichtige Entscheidung erwartete. Und die erwartete man wirklich von ihnen, obwohl Dodgson die Konferenz am liebsten gar nicht einberufen hätte. Doch Steingarten, der Chef von Biosyn, hatte in diesem Punkt nicht mit sich reden lassen. »Für die Sache müssen Sie deren Einverständnis einholen, Lew«, hatte er gesagt. Je nachdem, mit wem man sprach, war Lewis Dodgson berühmt als der ehrgeizigste oder als der skrupelloseste Genetiker seiner Generation. Er war 34, hatte eine beginnende Glatze, eine Hakennase und einen durchdringenden Blick. Seine Assistentenstelle am John Hopkins hatte er verloren, weil er Gentherapie an Menschen geplant hatte, ohne dies der Gesundheitsbehörde zu melden. Anschließend, bei Biosyn, hatte er den kontroversen Test mit dem Tollwutimpfstoff in Chile durchgeführt. Inzwischen war er Leiter der Abteilung Produktentwicklung bei Biosyn, die sich, so munkelte man, mit sogenannter Rückwärtsforschung beschäftigte: Dabei zerlegte man das Produkt eines Konkurrenten, fand heraus, wie es funktionierte, und baute dann eine eigene Version. In der Praxis gehörte dazu auch Industriespionage, die sich vorwiegend gegen die InGen Corporation richtete.
Anfang der 80er begannen einige Gentechnologiefirmen sich die Frage zu stellen: »Was ist das biologische Equivalent eines SonyWalkman?« Diese Firmen interessierten sich nicht für Pharmazeutika oder Gesundheitsprodukte; sie interessierten sich für Unterhaltung, Sport, Freizeitgestaltung, Kosmetik und Haustiere. Für die 90er Jahre wurde eine starke Nachfrage nach diesen sogenannten Consumer Biologicals prognostiziert. Und sowohl InGen als auch Biosyn arbeiteten in diesem Bereich.
Biosyn hatte bereits einige Erfolge zu verzeichnen. So entwickelte sie im Auftrag des Fischerei- und Jagdministeriums des Staates Idaho eine neue, hellere Forelle. Diese Forelle war in Bächen und Flüssen leichter zu erkennen und stellte angeblich einen bedeutenden Fortschritt für die Fischerei dar. (Zumindest löste sie für das Ministerium das Problem, daß ständig Beschwerden eingingen, es gebe keine Forellen in den Bächen.) Daß der Fisch manchmal an Sonnenbrand starb und das Fleisch der blassen Forelle teigig und geschmacklos war, wurde nicht erwähnt. Daran arbeitete Biosyn noch, und -
Die Tür öffnete sich, Ron Meyer betrat den Raum und nahm Platz. Dodgson hatte jetzt seine beschlußfähige Anzahl. Er stand sofort auf.
»Gentlemen«, sagte er, »wir sind heute abend zusammengekommen, um uns über ein lohnendes Ziel Gedanken zu machen: InGen.«
Er referierte kurz die Hintergründe. InGens Gründung 1983 mit der Hilfe japanischer Investoren; der Kauf von drei Cray-XMPSupercomputern; der Erwerb der Isla Nublar in Costa Rica; die Hortung von Bernstein; die ungewöhnlichen Spenden an Zoos auf der ganzen Welt, von der New York Zoological Society bis zum Ranthapur Wildlife Park in Indien.
»Trotz dieser ganzen Hinweise«, sagte Dodgson, »hatten wir lange Zeit keine Ahnung, was InGen eigentlich ist. Die Firma schien sich offensichtlich auf Tiere zu konzentrieren; außerdem hatte sie Wissenschaftler mit einem Interesse für die Vergangenheit engagiert - Paläobiologen, Forscher auf dem Gebiet der DNS-Phylogenese und so weiter.
1987 kaufte InGen schließlich eine obskure Firma namens Millipore Plastic Products in Nashville, Tennessee. Das war eine Agrartechnikfirma, die sich kurz zuvor einen neuen Kunststoff mit den Eigenschaften einer Vogeleierschale hatte patentieren lassen. Dieser Kunststoff konnte zu Eiern geformt und zum Ausbrüten von Hühnerembryos verwendet werden. Ab dem folgenden Jahr benutzte InGen die Gesamtproduktion dieses Kunststoffs für eigene Zwecke.«
»Dr. Dodgson, das ist ja alles sehr interessant -«
»Gleichzeitig«, fuhr Dodgson fort, »begannen die Bauarbeiten auf der Isla Nublar. Dazu gehörten umfangreiche
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