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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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widmete mich meinem neuen Studiengebiet. Der Nahe Osten übte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus: die Moscheen, die Gebetsteppiche, der Koran. Ich las Nervals Les Femmes du Caire und die Storys von Bowles,Mrabet, Albert Cossery und Isabelle Eberhardt. Da die Atmosphäre dieser Geschichten von Haschischrauch erfüllt war, wollte ich nicht außen vor bleiben. Unter Haschischeinflusss hörte ich The Pipes of Pan at Jajouka; Brian Jones hatte das Album 1968 produziert. Es war schön, zu der Musik, die er so geliebt hatte, Texte zu schreiben. Von den bellenden Hunden bis zu den ekstatischen Bläsern – eine Zeit lang bildete es den Soundtrack meiner Nächte.

    Sam war fasziniert von Roberts Arbeiten, fasziniert wie kein anderer.
    Ich stand neben ihm vor einem Bild mit weißen Tulpen, die Robert vor einem schwarzen Hintergrund aufgenommen hatte.
    »Was ist das Schwärzeste, das du je gesehen hast?«, fragte Sam.
    »Eine Sonnenfinsternis?«, antwortete ich, als hätte er mir ein Rätsel aufgegeben.
    »Nein.« Er zeigte auf die Fotografie. »Das hier. Ein Schwarz, in dem man sich verlieren kann.«
    Später signierte Robert dieses Foto mit einer persönlichen Widmung für Sam. »Er ist der Einzige, der es wirklich kapiert«, erklärte er.
    Robert und Sam waren fast vom gleichen Blut, einander so nahe, wie zwei Männer es nur sein konnten. Der Vater suchte den Thronerben, der Sohn den Vater. Sam, als der Mäzen schlechthin, verfügte über die Mittel, die Vision und den Wunsch, einen Künstler groß zu machen. Und Robert war der Künstler, den er gesucht hatte.
    An der tiefen Zuneigung zwischen Robert und Sam ist viel herumseziert worden, sie wurde durchgekaut und in verzerrten Versionen wieder ausgespuckt, was vielleicht für einen Roman interessant sein mag, doch man kann ihre Beziehung unmöglich beurteilen, wenn man ihr Agreement nicht begreift.
    Robert gefiel Sams Reichtum, und Sam gefiel es, dass Robertsein Geld gefiel. Wäre das ihre einzige Triebfeder gewesen, hätten sie dasselbe auch ohne Weiteres woanders finden können. Nein, jeder von ihnen besaß etwas, das der andere brauchte, sie vervollständigten einander. Sam wäre insgeheim selbst gerne Künstler gewesen, was er aber nicht war. Robert wollte Geld und Einfluss, was er aber nicht hatte. Indem sie sich zusammentaten, kostete jeder von den Eigenschaften des anderen. Sie kamen sozusagen im Doppelpack. Sie brauchten einander. Der Mäzen den Künstler, dessen schöpferisches Werk ihn bestätigte und überhöhte. Der Künstler den Mäzen, um sein Werk erschaffen zu können.
    Ich sah in ihnen zwei Männer, die untrennbar miteinander verbunden waren. Die Bestätigung, die sie einander gaben, stärkte sie. Sie waren beide eher stoisch veranlagt, aber sie mussten ihre Schwächen nicht voreinander verstecken, sondern wussten dieses Wissen beim anderen in guten Händen. Robert konnte bei Sam ganz er selbst sein, er musste niemals fürchten, ihn zu schockieren. Sam wäre nie auf die Idee gekommen, mäßigend einzugreifen, was Roberts Arbeiten, seinen Kleidungsstil, seinen Umgang mit Institutionen betraf. Ich nahm neben all dem vor allem eins zwischen den beiden wahr: eine tiefe, zärtliche Verbundenheit.
    Robert war kein Voyeur. Er legte großen Wert auf die Feststellung, dass er auch bei all seinen Arbeiten mit S&M-Bezug immer authentisch eingebunden sein musste, dass er die Bilder nicht aus Sensationslust mache, und es auch nicht als seine Aufgabe ansehe, der S&M-Szene mehr gesellschaftliche Akzeptanz zu verschaffen. Er war noch nicht einmal der Ansicht, dass sie allgemein akzeptiert sein sollte, er fand nie, dass seine verbotene Welt etwas für jeden war.
    Es steht außer Frage, dass er deren Kicks genoss, vielleicht sogar brauchte. »Es ist berauschend«, sagte er immer. »Die Macht, die einem das verleihen kann. Da steht eine Schlange von Kerlen, die dich alle haben wollen, und wenn sie noch so abstoßend sind, es ist einfach überwältigend, dieses kollektive Verlangen nach dir zu spüren.«
    Roberts spätere Exkursionen in die S&M-Welt verstörten und ängstigten mich manchmal. Er konnte in diesen Dingen nicht offen zu mir sein, weil sie sich außerhalb der Welt abspielten, die wir teilten. Vielleicht hätte er mir mehr erzählt, wenn ich darauf bestanden hätte, doch ich wollte gar nichts darüber wissen. Nicht, dass ich die Augen davor verschließen wollte, aber ich war einfach zu zartbesaitet. Was er trieb, war hardcore, und es kamen oft

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