Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
Vom Netzwerk:
Atmosphäre, die nicht zu unseren ungestümen, despektierlichen Auftritten passte, aber es war eine Auftrittsmöglichkeit: Wir waren nicht festgelegt und blieben für andere erst noch offen. Doch bei jedem Auftritt stellten wir fest, dass ein paar Leute extra unseretwegen kamen, und ihre wachsende Zahl ermutigte uns, weiterzumachen. Obwohl wir den Manager auf die Palme brachten, buchte er uns für fünf aufeinanderfolgende Abende mit Holly Woodlawn und Peter Allen.
    Am Ende der Woche, am Palmsonntag, waren wir vom Duo zum Trio und Richard Sohl für uns zu DNV geworden, Death in Venice, unser goldlockiger Jüngling.
    Die Stars standen Schlange, um im Ziegfeld Theatre die Premiere des Films Ladies and Gentlemen, The Rolling Stones mitzuerleben. Ich fand es aufregend, dabei sein zu dürfen. Es war an Ostern, das weiß ich noch, und ich trug ein viktorianisches Kleid aus schwarzem Samt mit weißem Spitzenkragen. Nach dem Film fuhren Lenny und ich nach Downtown, unsere Kutsche war ein Kürbis und unsere Festtagsgarderobe reichlich ramponiert. Auf der Bowery hielten wir vor einer kleinen Bar, dem CBGB. Wir hatten dem Dichter Richard Hell versprochen, dass wir uns die BandTelevision ansehen würden, in der er Bass spielte. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartete, aber ich war neugierig, wie sich ein anderer Dichter bei einem Rock’n’Roll-Auftritt anstellte.
    Ich war oft in dieser Ecke der Bowery gewesen, um William Burroughs zu besuchen, der in einem fensterlosen, »Bunker« genannten Raum ein paar Straßen weiter lebte. Es war die Straße der Schluckbrüder, sie versammelten sich hier um große Mülltonnen, in denen sie Feuer machten, um sich warm zu halten, sich Essen zu kochen oder bloß, um sich Kippen daran anzuzünden. Wenn man die Bowery hinunterschaute, leiteten einen diese Feuer in einer langen Reihe bis vor Williams Tür, so auch an diesem wunderbaren, wenn auch kühlen Abend zu Ostern.
    Das CBGB war ein langer, enger Schlauch mit einer Theke auf der rechten Seite, über der Neonreklamen für diverse Biersorten leuchteten. Die Bühne zur Linken war niedrig und flankiert von Fototapeten, die Badeschönheiten der Jahrhundertwende zeigten. Weiter hinten stand ein Billardtisch, und ganz hinten gab es eine schmierige Küche und einen Raum, in dem der Besitzer Hilly Krystal arbeitete und schlief, gemeinsam mit seinem Hund, dem Saluki Jonathan.
    Die Band hatte eine rohe Härte, die Musik war sprunghaft, eckig und emotional. Mir gefiel alles an ihnen, ihre zuckenden Bewegungen, die Jazz-Anleihen des Drummers, ihre aus den Fugen geratenen, orgiastischen musikalischen Strukturen. Ich fühlte mich sofort seelenverwandt mit dem Gitarristen auf der rechten Seite, der wie ein Alien aussah. Er war groß und schlank, mit strohfarbenem Haar, und seine langen, eleganten Finger waren um den Hals seiner Gitarre gekrallt, als wollte er sie erdrosseln. Tom Verlaine hatte unzweifelhaft Eine Zeit in der Hölle gelesen.
    Zwischen den Sets unterhielten Tom und ich uns nicht über Poesie, sondern über die Wälder New Jerseys, die verwaisten Strände von Delaware und fliegende Untertassen. Wie sich herausstellte, waren wir nur zwanzig Minuten entfernt voneinander aufgewachsen, hatten die gleichen Platten gehört, dieselbenZeichentrickserien gesehen und liebten beide Arabian Nights. Dann war die Pause vorbei, Television gingen wieder auf die Bühne, Richard Lloyd schnappte sich seine Gitarre und spielte das Intro von Marquee Moon.
    Das hier war eine völlig andere Welt als das Ziegfeld. Durch den Null-Glamour wirkte es so familiär, als wäre es unser Wohnzimmer. Während die Band spielte, hörte man die Billardkugeln klicken, der Saluki bellte, Flaschen klirrten: der Sound einer aufkeimenden neuen Szene. Auch wenn es noch niemand wusste, die Planetenstellung war günstig, und die Engel bliesen die Posaune.
    Patty Hearsts Entführung beherrschte die Nachrichten in jenem Frühjahr vollständig. Sie war von der Symbionese Liberation Army, einer Stadtguerillatruppe, aus ihrer Wohnung in Berkeley verschleppt worden und wurde als Geisel festgehalten. Ich weiß nicht, warum die Story solche Anziehungskraft auf mich ausübte, vielleicht unter anderem, weil meine Mutter einen kleinen Fimmel mit der Lindbergh-Entführung hatte und in der ständigen Furcht lebte, jemand könnte ihre Kinder kidnappen. Die Bilder vom gramgebeugten Flieger und dem blutbefleckten Schlafanzug seines blonden Söhnchens verfolgten meine Mutter ihr Leben lang.
    Am 15.

Weitere Kostenlose Bücher