Just Kids
hatte den Song als Hommage an die vier jungen Studenten der Kent State Uni geschrieben, die für die Sache des Friedens ihr Leben verloren hatten.
Anschließend fuhren wir nach Woodstock, wo The Band gerade bei den Aufnahmen zu Stage Fright waren. Der Toningenieur war Todd Rundgren. Robbie Robertson arbeitete hochkonzentriert an Medicine Man, doch so gut wie alle anderen feierten eine zügellose Party. Ich blieb auf und unterhielt mich bis Tagesanbruch mit Todd, wobei wir darauf kamen, dass wir beide aus Upper Darby stammten. Meine Großeltern hatten ganz in der Nähe des Orts gewohnt, an dem er zur Welt gekommen und aufgewachsen war. Wir waren uns auch seltsam ähnlich – nüchterne, arbeitsorientierte, voreingenommene, idiosynkratische Mauerblümchen.
Bobby öffnete mir noch mehr Tore zu seiner Welt.
Durch ihn hatte ich Todd kennengelernt, die Künstler Brice Marden und Larry Poons und Musiker wie Billy Swan, Tom Paxton, Eric Andersen, Roger McGuinn und Kris Kristofferson. Wie eine Schar Gänse strebten sie alle zum Chelsea Hotel, um auf die Ankunft von Janis Joplin zu warten. Die einzige Referenz, die mir Zugang zur Privatsphäre all dieser Leute verschaffte, war Bobbys Wort, und sein Wort war sakrosankt. Er stellte mich Janis als »die Dichterin« vor, darum nannte Janis mich von da an nur noch so.
Wir gingen alle zu Janis’ Auftritt im Wollman Rink im Central Park. Das Konzert war ausverkauft, aber zahllose Menschen waren noch auf die Felsen ringsherum geklettert. Ich stand mitBobby am Bühnenrand und war wie hypnotisiert von Janis’ magnetischer Ausstrahlung. Plötzlich begann es in Strömen zu regnen, gefolgt von Donner und Blitzen, und die Bühne wurde geräumt. Weil das Konzert abgebrochen werden musste, begannen die Roadies mit dem Abbau. Das Publikum wollte aber nicht gehen und fing an zu buhen.
Janis war verzweifelt. »Sie buhen mich aus, man«, weinte sie sich bei Bobby aus.
Bobby strich ihr die Haare aus den Augen. »Die buhen nicht dich aus, Darling«, sagte er, »die buhen den Regen aus.«
Die zahlreichen Musiker, die damals im Chelsea lebten, trafen sich oft mit ihren akustischen Gitarren in der Suite von Janis. Ich war dabei, wie sie an den Stücken für ihr neues Album arbeiteten. Janis war die Göttin des Sonnenrads, die in ihrem Sessel thronte, schon nachmittags eine Flasche Southern Comfort in der Hand, Michael Pollard zumeist an ihrer Seite. Sie waren wie unzertrennliche Zwillinge mit identischem Sprachduktus, die in jedem Satz ein man unterbrachten. Ich saß auf dem Fußboden, als Kris Kristofferson ihr Me and Bobby McGee vorsang und Janis im Refrain mit einfiel. Ich erlebte diese Momente mit, war aber noch zu jung und zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, um sie überhaupt als »Momente« zu erkennen.
Robert ließ sich die Brustwarzen piercen, von einem Arzt in Sandy Daleys Wohnung, während er selbst in David Crolands Armen lag. Sie filmten es auf 16mm, ein unheiliges Ritual, Roberts Chant d’Amour. Ich hatte vollstes Vertrauen, dass es unter Sandys unfehlbarer Regie wunderbare Aufnahmen werden würden. Die eigentliche Prozedur aber fand ich abstoßend und blieb ihr fern. Ich war sicher, dass es sich entzünden würde, und so war es auch. Als ich Robert fragte, wie es gewesen sei, sagte er, zu gleichen Teilen interessant und schaurig. Anschließend gingen wir drei zu Max’s.
Wir saßen mit Donald Lyons im Hinterzimmer. Wie alle männlichen Hauptdarsteller in der Factory, war auch Donald einirisch-katholischer Junge aus Brooklyn. Er war in Harvard gewesen und ein hervorragender Altphilologe, der zu großen akademischen Hoffnungen berechtigt hatte. Dann ließ er sich von Edie Sedgwick bezirzen, die in Cambridge Kunst studierte, schmiss alles hin und folgte ihr nach New York City. Donald konnte extrem sarkastisch sein, wenn er Alkohol trank, und wer sich in seiner Gesellschaft aufhielt, wurde also entweder attackiert oder amüsiert. In seinen guten Momenten ließ er sich mit größtem Sachverstand über Film und Theater aus, zitierte aus entlegenen lateinischen und griechischen Quellen oder trug längere Passagen von T. S. Eliot vor.
Donald fragte uns, ob wir uns oben das Konzert von Velvet Underground ansehen wollten. Es sollte ihr Reunion-Konzert in New York sein, das erste Rock’n’Roll-Konzert im Max’s überhaupt. Donald war schockiert, dass ich sie noch nie gesehen hatte, und bestand darauf, dass wir zu ihrem nächsten Set nach oben gingen. Mit der Musik
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