Just Kids
Anschaffen teilten, Jim, um Geld für Drogen zu bekommen, und Robert, um Geld für die Miete zu bekommen. Selbst zu diesem Zeitpunkt war sich Robert immer noch nicht über sich und seine Neigungen im Klaren. Es bereitete ihm Unbehagen, über seine Sexualität definiert zu werden, und er fragte sich, ob er des Geldes oder des Vergnügens wegen auf den Strich ging. Mit Jim konnte er über solche Dinge reden, denn Jim kannte keine Vorurteile. Sie nahmen beide Geld von Männern, aber Jim hatte kein Problem damit. Für ihn war es bloß ein Geschäft.
»Woher weißt du, dass du nicht schwul bist?«, fragte Robert ihn.
Jim sagte, das wüsste er hundertprozentig. »Weil ich immer Geld verlange.«
Etwa Mitte Juli zahlte ich die letzte Rate für meine erste Gitarre. Sie lag angezahlt in einem Pfandhaus auf der Eighth Avenue, ein Parlor-Modell, eine kleine akustische Martin. Oben auf dem Hals war ein winziger Bluebird-Aufkleber, und ihr Gurt bestand aus bunter Kordel. Ich kaufte mir ein Bob-Dylan-Songbook und lernte ein paar einfache Griffe. Anfangs klangen sie gar nicht schlecht, aber je länger ich spielte, desto scheußlicher wurde es. Ich wusste nicht, dass man eine Gitarre auch stimmen muss. Ich brachte sie rüber zu Matthew, und er stimmte sie für mich. Dann kam mir die Idee, jedes Mal, wenn sie verstimmt war, zu einem Musiker zu gehen und ihn zu fragen, ob er mal darauf spielen wollte. Es gab jede Menge Musiker im Chelsea.
Ich hatte Fire of Unknown Origin als Gedicht geschrieben, aber nachdem ich Bobby kennengelernt hatte, machte ich daraus meinen ersten Song. Ich mühte mich ab, ein paar Akkorde zu finden, mit denen ich es auf der Gitarre begleiten konnte, und trug es dann Robert und Sandy vor. Sie war besonders angetan davon. Das Kleid, das den Flur entlanggerauscht kommt, war ihres.
Death comes sweeping down the hallway in a lady’s dress
Death comes riding up the highway in its Sunday best
Death comes I can’t do nothing
Death comes there must be something that remains
A fire of unknown origin took my baby away
Nach meinen Auftritten in Island hatte ich den Eindruck, dass ich die Schauspielerei ganz gut draufhatte. Ich kannte kein Lampenfieber, und es machte Spaß, Publikumsreaktionen herauszufordern. Allerdings wurde mir klar, dass ich nicht fürs Theater geboren war. Ein Schauspieler war für mich doch eher ein Soldat: Man musste sich selbst einem höheren Ziel opfern. Man musste an die Sache glauben. Ich konnte einfach nicht genug von mir aufgeben, um Schauspielerin zu werden.
Die Darstellung der Leona machte aus der unbegründeten Vermutung, ich sei ein Speedfreak, eine amtliche Tatsache. Ich war als Schauspielerin vielleicht nicht wahnsinnig überzeugend, aber immerhin überzeugend genug, um mir einen schlechten Ruf einzuhandeln. Das Stück entwickelte sich zum gesellschaftlichen Ereignis. Andy Warhol erschien jeden Abend und bekundete ernsthaftes Interesse, mit Tony Ingrassia zusammenzuarbeiten. Tennessee Williams besuchte die letzte Vorstellung Arm in Arm mit Candy Darling. Candy glühte vor Freude darüber, in Begleitung des großen Dramatikers gesehen zu werden.
Die erforderliche Dreistigkeit hatte ich wohl, aber ich wusste, das Feuer und der tragische Glamour der anderen Schauspieler fehlten mir. Alle, die mit Off-Theater zu tun hatten, machten es mit Leib und Seele und ließen sich von Mentoren wie Ellen Stewart, John Vaccaro und dem brillanten Charles Ludlam knechten. Auch wenn ich schließlich einen ganz anderen Weg einschlug, war ich doch dankbar für das, was ich dort gelernt hatte. Es sollte noch eine Weile dauern, bis ich meine Theatererfahrungen einsetzen konnte.
Als Janis Joplin im August zu ihrem Regenkonzert im Central Park kam, wirkte sie überaus glücklich. Sie freute sich auf die Plattenaufnahmen und kam prächtig geschmückt mit Federboas in Purpur, Pink und Lila in die Stadt geschwebt. Sie trug sie ständig und überall. Das Konzert war ein großer Erfolg, und anschließend gingen wir alle ins Remington, eine Künstlerbar am unteren Broadway. Die Tische waren bevölkert mit ihrer Entourage: Michael Pollard, Sally Grossman (das Mädchen im roten Kleid auf dem Cover von Bringing It All Back Home ), Brice Marden, Emmett Grogan von den Diggers und die Schauspielerin Tuesday Weld. Die Jukebox spielte Charlie Pride. Janis verbrachte die meiste Zeit der Party mit einem gut aussehenden Typen, auf den sie offenbar stand, aber kurz vor Lokalschluss verschwand er mit einer der hübscheren
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