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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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konnte ich sofort etwas anfangen, sie hatte so einen wummernden Surferbeat. Ich hatte noch nie richtig auf Lou Reeds Texte geachtet, und erkannte, vor allem, wenn ich sie mit Donalds Ohren hörte, ihre eindringliche lyrische Qualität. Der obere Raum im Max’s war klein, er fasste vielleicht gerade mal hundert Leute, und als die Velvets sich einspielten, taten wir es auch.
    Robert ging mit David auf die Tanzfläche. Er trug ein dünnes weißes Hemd, das bis zum Gürtel offen stand, und ich konnte den Abdruck des goldenen Piercings darunter erkennen. Donald nahm meine Hand, und wir machten Anstalten zu tanzen. Robert und David – tanzten definitiv. Donald hatte bei unseren diversen Diskussionen über Homer, Herodot oder Ulysses recht gehabt, und er hatte absolut recht, was Velvet Underground betraf. Sie waren die beste Band in New York City.
    Am Unabhängigkeitstag fragte mich Todd Rundgren, ob ich Lust hätte, mit ihm nach Upper Darby zu fahren, um seine Mutter zu besuchen. Wir zündeten Feuerwerkskörper auf einem Brachgelände und aßen Carvel-Eis. Danach stand ich neben seiner Mutter im Hof und schaute zu, wie er mit seiner jüngerenSchwester spielte. Seine Mutter betrachtete spöttisch seine bunt gefärbten Haare und seine Samtschlaghose. »Ich hab ein Alien geboren«, platzte sie plötzlich heraus, was mich überraschte, denn auf mich wirkte er immer so bodenständig. Als wir zurück in die Stadt fuhren, waren wir uns einig, dass wir uns gefunden hatten – Alien zu Alien.
    Später am Abend lief ich im Max’s Tony Ingrassia über den Weg, einem Bühnenautor, der im La MaMa arbeitete. Er bat mich, zur Leseprobe für eine Rolle in seinem neuen Stück Island zu kommen. Ich war erst etwas skeptisch, aber als er mir das Skript gab, versprach er, dass es kein fingerdickes Puder-Make-up und auch keinen Glitzer geben würde.
    Die Rolle erschien mir unkompliziert, weil ich zu keiner der anderen Figuren im Stück eine Beziehung finden musste. Mein Charakter, Leona, war nur an sich selbst interessiert, drückte Speed und faselte unzusammenhängendes Zeug über Brian Jones. Ich hab nie richtig verstanden, worum es in dem Stück ging, aber es war Tony Ingrassias großes Epos. Einfach jeder machte mit, wie in Botschafter der Angst.
    Ich trug mein zerschlissenes Hemd mit U-Boot-Kragen und schmierte mir Kajal um die Augen, da ich möglichst fertig aussehen sollte. Ich glaube, ich bekam so einen Junkie-Waschbär-Look hin. In einer Szene musste ich kotzen. Das war kein Problem. Ich behielt einfach für ein paar Minuten eine nicht unbeträchtliche Masse von zermantschten Erbsen und nassem Maismehl im Mund, dann ließ ich es herausspritzen. Aber an einem Abend brachte Tony eine Spritze mit zur Probe und sagte ganz beiläufig: »Spritz einfach Wasser, weißt du, zieh ein bisschen Blut aus dem Arm, dann denken die Leute, du machst dir einen Druck.«
    Ich wurde beinahe ohnmächtig. Ich konnte Spritzen nicht mal ansehen, geschweige denn, mir eine in den Arm stechen. »So was mache ich nicht«, sagte ich.
    Sie waren konsterniert. »Du drückst nie?«
    Alle waren davon ausgegangen, dass ich Drogen nahm, weil icheinfach danach aussah. Ich weigerte mich, mir eine Spritze zu setzen. Schließlich klebten sie mir heißen Wachs auf den Arm, und Tony zeigte mir, was ich machen musste.
    Robert fand meine Bedrängnis zum Totlachen und zog mich permanent damit auf. Er kannte meine Nadelphobie nur zu gut. Er sah mich gerne auf der Bühne. Er kam derart schrill eingekleidet zu allen Proben, dass er selbst eine Rolle verdient hätte. Tony Ingrassia fasste ihn ins Auge und meinte: »Er sieht einfach sagenhaft aus. Ich wünschte, er hätte Schauspieltalent.«
    »Setz ihn einfach auf einen Stuhl«, sagte Wayne County zustimmend. »Es reicht, wenn er gar nichts macht.«
    Robert schlief allein. Ich wollte bei ihm anklopfen, aber die Tür war geöffnet. Ich stand da und betrachtete ihn im Schlaf, genau wie damals, als wir uns das erste Mal begegnet waren. Er war immer noch derselbe Junge, mit seinem zerwühlten Hirtenjungen-Haar. Ich setzte mich aufs Bett, und er wurde wach. Er stützte sich auf einen Ellbogen und lächelte. »Willst du unter die Decke, Porzellanpüppchen?« Er fing an, mich zu kitzeln. Wir balgten uns und konnten nicht aufhören zu lachen. Dann sprang er auf. »Fahren wir nach Coney Island«, sagte er. »Wir lassen uns noch mal fotografieren.«
    Wir machten alles, was wir gern taten. Wir schrieben unsere Namen in den Sand, gingen zu

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