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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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präsentierte Roberts Arbeiten sehr elegant und eloquent.
    Es berührte mich sehr zu beobachten, wie die Leute auf die Arbeiten reagierten, bei deren Entstehung ich Robert zugesehen hatte. Sie hatten nun unsere private Welt verlassen. Es war genau das, was ich ihm immer gewünscht hatte, und trotzdem gab es mir einen kleinen eifersüchtigen Stich, weil ich sie jetzt mit anderen teilen musste. Doch dieses Gefühl wurde von der Freude über Roberts befriedigten Gesichtsausdruck verdrängt, der jetzt eine Zukunftsperspektive sah, die er so entschlossen gesucht und auf die er so hart hingearbeitet hatte.
    Entgegen Roberts Voraussage kaufte Charles Coles das Altarbild, und ich sah mein Wolfsfell, meinen Schal und mein Kruzifix nie wieder.

    »Die Lady ist tot.« Bobby rief mich aus Kalifornien an, um mir zu sagen, dass Edie Sedgwick gestorben war. Ich hatte sie nie kennengelernt, aber als Teenager hatte ich mal eine Vogue mit einem Foto gefunden, auf dem sie auf einem Bett unter der Zeichnung eines Pferds eine Pirouette drehte. Sie wirkte darauf so entrückt, als gäbe es außer ihr niemanden sonst auf der Welt. Ich hatte das Foto herausgerissen und an die Wand geheftet.
    Bobby schien von ihrem frühen Tod wirklich getroffen zu sein. »Schreib der kleinen Lady ein Gedicht«, sagte er, und ich versprach es.
    Um eine Elegie über ein Mädchen wie Edie schreiben zu können, musste ich irgendetwas von diesem Mädchen in mir selbst finden. Weil ich mich verpflichtet fühlte, mir über das Frausein klar zu werden, vertiefte ich mich in den innersten Kern meines Seins, geleitet von dem Mädchen, das vor einem weißen Pferd tanzte.
    Ich war in Beat-Stimmung. Die Bibeln lagen zu kleinen Stapeln geschichtet da. Die heiligen Barbaren. Die zornigen jungen Männer. Beim Herumkramen stieß ich auf ein paar Gedichte von Ray Bremser. Dieser Mann hatte es wirklich drauf, er war so was wie das menschliche Saxofon. Man spürte seine improvisierende Lässigkeit in seiner Sprache, die nur so herausfloss, wie lineare Töne. Davon inspiriert legte ich eine Coltrane-Platte auf, aber es tat sich nichts. Ich verschwendete nur meine Zeit. Truman Capote hatte Kerouac mal vorgeworfen, bloß zu tippen, nicht zu schreiben. Aber Kerouac übertrug sein gesamtes Innenleben auf eine Endlosrolle Fernschreiberpapier, während er auf seine Maschine einhackte. Ich, ich tippte bloß. Ich sprang frustriert auf.
    Ich nahm die Beat-Anthologie zur Hand und fand Lockruf des Meeres von George Mandel. Ich las den Text leise vor, und dann mit meiner lautesten Stimme; ich wollte das Meer zu fassen bekommen, das er in die Worte gelegt hatte, und den schneller werdenden Schlag der Wellen. Ich machte weiter, Corso und Majakowski speiend, und dann zurück ans Meer, um mich von George hineinstoßen zu lassen.
    Robert war auf Samtpfoten ins Zimmer gekommen, setzte sich hin und nickte mit dem Kopf. Er lauschte mit allem, was er hatte. Mein Künstler, der nie ein Buch aufschlug. Dann bückte er sich und sammelte eine Handvoll Gedichte vom Fußboden auf.
    »Du solltest besser auf deine Werke achten«, sagte er.
    »Ich weiß ja nicht mal genau, was ich tue«, sagte ich achselzuckend, »ich kann bloß nicht damit aufhören. Ich bin wie ein blinder Bildhauer, der drauflos meißelt.«
    »Du musst anderen Menschen zeigen, was du kannst. Warum machst du keine Lesung?«
    Das Schreiben frustrierte mich allmählich; es war mir nicht physisch genug.
    Er erzählte mir, dass er da einige Ideen hätte. »Ich organisiere dir eine Lesung, Patti.«
    Ich hatte keine große Hoffnung, dass ich es in der näherenZukunft tatsächlich zu einer Poetry-Lesung bringen würde, aber es lockte mich schon. Ich hatte meine Gedichte bislang nur geschrieben, um mir selbst und einer Handvoll anderer eine Freude zu machen. Vielleicht musste ich es endlich mal darauf ankommen lassen, ob ich den Gregory-Test bestand. Im Innersten wusste ich, dass ich so weit war.
    Ich schrieb auch weiterhin Beiträge für Musikzeitschriften wie Crawdaddy, Circus und den Rolling Stone. Damals war das Metier Rockschreiber noch eine hehre Aufgabe. Paul Williams, Nick Tosches, Richard Meltzer oder Sandy Perlman waren Schreiber, von denen ich eine hohe Meinung hatte. Ich selbst orientierte mich an Baudelaire, der im neunzehnten Jahrhundert einige großartig idiosynkratische Kunst- und Literaturkritiken geschrieben hatte.
    Mit einem Stapel anderer Platten landete auch ein Doppelalbum von Lotte Lenya als Rezensionsexemplar bei mir. Ich

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