Just Kids
Bekanntenkreis sogar schwieriger zu bewältigen als die sexuellen. Seine widersprüchliche Sexualität musste ich nur verstehen und akzeptieren. Aber um gesellschaftlich mit ihm auf Augenhöhe zu bleiben, hätte ich mich vollkommen umkrempeln müssen.
Manche von uns werden nun mal als Rebellen geboren. Als ich die Geschichte der Zelda Fitzgerald von Nancy Milford las,identifizierte ich mich mit ihrem Widerspruchsgeist. Ich weiß noch, wie ich mit meiner Mutter an Schaufenstern vorbeikam und sie fragte, warum die Leute sie nicht einfach einträten. Sie erklärte mir, dass es für das soziale Verhalten ungeschriebene Gesetze gebe, die unser Zusammenleben regelten. Ich fühlte mich sofort eingeengt bei der Vorstellung, in eine Welt hineingeboren zu sein, in der andere, die vor uns da gewesen waren, alles und jedes schon vorgeplant hatten. Ich gab mir Mühe, meine destruktiven Impulse zu zügeln und stattdessen an meinen kreativen zu arbeiten. Doch der kleine, Regeln hassende Teil meines Ichs war nicht totzukriegen.
Als ich Robert von meinem Kinder-Ich und seiner Lust, Fensterscheiben einzutreten, erzählte, neckte er mich damit.
»Patti, nein! Du bist die Saat des Bösen«, sagte er. Nein, war ich nicht.
Sam seinerseits hatte größtes Verständnis für meine Kindergeschichte. Er konnte sich gut vorstellen, wie es mich in meinen kleinen Füßen in den kleinen braunen Schuhen gejuckt hatte, Rabatz zu machen. Als ich ihm erzählte, dass mich manchmal der Wunsch überkam, Fensterscheiben einzutreten, sagte er bloß: »Tu dir keinen Zwang an, Patti Lee. Ich zahle die Kaution für dich.« Bei Sam konnte ich ich selbst sein. Er verstand besser als jeder andere, dass man aus seiner Haut nicht herauskonnte.
Nur Robert wurde mit Sam nicht warm. Er wollte immer, dass ich kultivierter auftrat, und fürchtete, Sam würde mich in meinem aufsässigen Benehmen noch bestärken. Jeder betrachtete den anderen mit Argwohn, und es gelang ihnen nie, diese Kluft zu überbrücken. Oberflächlich mag es so ausgesehen haben, als läge es daran, dass sie einfach einer verschiedenen Spezies angehörten, aber ich sah es so, dass sie beide starke Persönlichkeiten waren, die beide das Beste für mich wollten. Tischmanieren hin oder her, ich fand mich in beiden von ihnen wieder und nahm es mit Humor und Stolz, wenn sie aneinandergerieten.
Von David ermutigt, schleppte Robert seine Arbeiten von Galerie zu Galerie, doch ohne Erfolg. Unbeeindruckt suchte er nach einer Alternative und beschloss, seine Collagen an seinem Geburtstag in Stanley Amos’ Galerie im Chelsea Hotel zu zeigen.
Als Erstes ging Robert zu Lamston. Das war kleiner und billiger als Woolworth. Er und ich nutzten jede sich bietende Gelegenheit, in ihren veralteten Artikeln zu wühlen: Garne, Stoffe, Knöpfe, Drugstore-Artikel, Redbook und Photoplay, Räucherschälchen, Urlaubskarten und Bonbons, Haarspangen und Kurzwaren in Familienpackungen. Robert kaufte dutzendweise zeitlose silberne Bilderrahmen. Für einen Dollar pro Stück waren sie sehr beliebt; man traf sogar Leute wie Susan Sontag, die sie dort kauften.
Weil er originelle Einladungskarten wollte, nahm er Softporno-Spielkarten von der Forty-second Street und druckte die Infos auf die Rückseite. Dann schob er sie in Ausweishüllen aus Plastik im Westernlook, die er bei Lamston erstand.
Die Ausstellung bestand vornehmlich aus Roberts »Freak«- Collagen, aber er fertigte extra für diesen Anlass auch noch ein recht großes Altarbild an. Dafür arrangierte er einige meiner persönlichen Dinge, darunter mein Wolfsfell, einen bestickten Samtschal und ein französisches Kruzifix. Es krachte kurz zwischen uns, weil er so einfach über meine Sachen verfügte, aber natürlich gab ich nach, und Robert wies darauf hin, dass es ja ohnehin niemand kaufen würde. Er wolle es den Leuten nur zeigen.
Die Ausstellung fand im Zimmer 510 des Chelsea Hotels statt. Der Raum war brechend voll. Robert erschien gemeinsam mit David. Als ich mich im Zimmer umsah, konnte ich unsere komplette Geschichte im Chelsea zurückverfolgen. Sandy Daley, die Robert als eine der Ersten gefördert hatte, strahlte. Harry war von dem Altarbild so beeindruckt, dass er beschloss, es in seinen Mahagonny -Film aufzunehmen. Jerome Ragni, der Co-Autor von Hair, kaufte eine der Collagen. Der Sammler Charles Coles vereinbarte einen Termin, um über einen späteren Erwerb zu reden.Gerard Malanga und Rene Ricard plauderten mit Donald Lyons und Bruce Rudow. David
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