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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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verschwand Sam. Wir setzten das Stück ab. Genau wie Slim Shadow kehrte Sam in seine eigene Welt zurück, zu seiner Familie und seinen Verpflichtungen.
    Aber die Bühnenerfahrung mit diesem Stück hat mir auch etwas über mich selbst verraten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Cavales Bild von einem »Rock’n’Roll-Jesus mit Cowboy-Schnauze« irgendetwas mit dem zu tun hatte, was ich machte, doch als wir sangen, stritten und uns gegenseitig ausfragten, fühlte ich mich auf der Bühne zu Hause. Ich war keine Schauspielerin, ich kannte keine Grenze zwischen Leben und Kunst. Ob auf oder vor der Bühne machte keinen Unterschied.
    Bevor Sam New York Richtung Nova Scotia verließ, gab er mir Geld in einem Umschlag. Das sei für mich, damit ich gut auf mich aufpasste.
    Er schaute mich an, mein Cowboy mit indianischem Wesen. »Weißt du, die Träume, die du für mich gehabt hast, waren nicht meine Träume«, sagte er. »Vielleicht sind diese Träume ja für dich bestimmt.«
    Ich stand am Scheideweg und wusste nicht, wie es mit mir weitergehen sollte. Robert triumphierte nicht, als Sam ging. Und alsSteve Paul mir anbot, mich mit ein paar anderen Musikern nach Mexiko mitzunehmen, um Songs zu schreiben, ermunterte Robert mich mitzufahren. Mexiko repräsentierte für mich zwei Dinge: Kaffee und Diego Rivera. Wir kamen Mitte Juni in Acapulco an und wohnten in einer weitläufigen Villa über dem Meer. Songs habe ich nicht viele geschrieben, aber jede Menge Kaffee getrunken.
    Ein gefährlicher Sturm scheuchte alle wieder nach Hause, doch ich blieb noch und kurvte schließlich via Los Angeles Richtung Heimat. Dort sah ich eine riesige Reklametafel, die für L. A. Woman warb, das neue Doors-Album: das Bild einer Frau, die an einem Telegrafenmasten gekreuzigt war. Ein Auto fuhr vorbei, und man hörte eine Passage aus ihrer neuen Single Riders on the Storm aus dem Autoradio. Ich hatte Gewissensbisse, dass ich schon fast vergessen hatte, wie wichtig Jim Morrison für mich gewesen war, er hatte mir den Weg gewiesen, Dichtung mit Rock’n’Roll zu verschmelzen, und ich beschloss, das Album zu kaufen und ein Stück zu schreiben, das seiner würdig war.
    Als ich in New York ankam, trafen die ersten bruchstückhaften Angaben über seinen Tod in Paris aus Europa ein. Ein oder zwei Tage lang wusste niemand genau, was passiert war. Jim war aus ungeklärter Ursache in der Badewanne gestorben. Am 3. Juli – dasselbe Datum wie bei Brian Jones.
    Als ich die Treppe hochging, spürte ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Ich hörte Robert schreien: »Ich liebe dich! Ich hasse dich! Ich liebe dich!« Ich stieß die Tür zu Roberts Studio auf. Er starrte in einen ovalen Spiegel, flankiert von einer schwarzen Peitsche und einer Teufelsmaske, die er vor Monaten mit Sprühfarbe lackiert hatte. Er hatte einen schlechten Trip erwischt, und das Gute und das Böse rangen um seine Seele. Der Teufel drohte, die Oberhand zu gewinnen, und verzerrte seine Gesichtszüge zu einer blutroten Fratze wie der an der Wand.
    Ich hatte keine Erfahrung mit solchen Situationen. Icherinnerte mich, wie er mir im Chelsea geholfen hatte, als ich irgendwas verabreicht bekommen hatte. Ich redete ihm beruhigend zu, indem ich gleichzeitig den Spiegel und die Teufelsmaske aus seinem Blickfeld entfernte. Zuerst starrte er mich an, als wäre ich eine Wildfremde, doch bald beruhigte sich sein keuchender Atem wieder. Erschöpft folgte er mir ins Bett, legte den Kopf in meinen Schoß und schlief ein.
    Sein widersprüchlicher Charakter ängstigte mich, hauptsächlich, weil ich fürchtete, dass er ihm Angst machte. Als wir uns kennenlernten, sprach aus seiner Arbeit ein Glaube an Gott als universelle Macht der Liebe. Dann musste ihn irgendwas aus der Bahn geworfen haben; seine typisch katholische Beschäftigung mit Gut und Böse schlug wieder durch, als müsse er sich für das eine oder das andere entscheiden. Er hatte mit der Kirche gebrochen, nun zerbrach in ihm selbst etwas. Sein Trip übersteigerte nur seine Ängste, er könne sich unwiderruflich mit dunklen Mächten eingelassen haben, einen faustischen Pakt eingegangen sein.
    Robert hatte sich angewöhnt, von sich als bösem Menschen zu sprechen, entweder im Spaß, oder weil er anders sein wollte. Ich saß da und sah zu, wie er sich ein ledernes Codpiece umschnallte. Er war eindeutig mehr dionysisch als satanisch veranlagt, er liebte die Freiheit und gesteigertes sinnliches Erleben.
    »Hör mal, du brauchst nicht böse zu sein,

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