Just Kids
letzten traditionellen Angestelltenverhältnis verabschiedet. Ich sollte nie wieder an einer Stechuhr stempeln gehen. Ich schuf meine eigene Zeit, und ich verdiente mein eigenes Geld.
Nachdem ich als Lesbe in Identity jede Glaubwürdigkeit hatte missen lassen, beschloss ich, das nächste Mal, wenn überhaupt, als ich selbst auf die Bühne zu gehen. Ich tat mich mit Jane Friedman zusammen, die mir hin und wieder Dichterlesungen in Bars verschaffte. Jane hatte eine erfolgreiche PR-Agentur und stand imRuf, auch eher experimentelle Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen. Meine Darbietungen wurden zwar nicht gerade begeistert aufgenommen, aber die Erfahrung schulte immerhin meine Fähigkeit, einem feindselig eingestellten Publikum mit Humor zu begegnen. Jane organisierte mir auch Auftritte im Vorprogramm für Bands wie den New York Dolls im Mercer Arts Center, das sich im langsam verfallenden Broadway Central Hotel befand, einem einstigen Prachtbau aus dem neunzehnten Jahrhundert, in dem Diamond Jim Brady und Lillian Russell zu tafeln pflegten und auf dessen Marmortreppe »Jubilee Jim« Fisk erschossen worden war. Von der früheren Pracht war nicht viel geblieben, dafür hatte dort nun eine Community von Kulturschaffenden ein Heim gefunden, es gab Theater, Lesungen und Rock’n’Roll.
Es war eine harte Schule für mich, Abend für Abend einem unwilligen, randalierenden Publikum, das nur die New York Dolls sehen wollte, Lyrik vorzutragen. Ich hatte weder Musiker noch Crew hinter mir, aber Linda, Herz und Seele meiner Geschwisterarmee, diente mir als Roadie, Schutzengel und Kulisse. Sie hatte eine ganz unbefangene, natürliche Art, war dabei aber ausgesprochen unerschrocken. Die undankbare Aufgabe, mit dem Hut rumzugehen, als unsere Truppe in den Straßen von Paris aufgetreten war, hatte immer sie übernommen. Im Mercer wachte Linda über meine Trickkiste, in der sich ein kleiner Kassettenrekorder, ein Megafon und ein Spielzeugklavier befanden. Ich trug meine Gedichte vor, konterte Beleidigungen und sang zwischendurch zu ein bisschen Musik vom Kassettenrekorder ein paar Songs.
Am Ende jeder Performance zog Jane eine Fünfdollarnote aus ihrer Gesäßtasche und behauptete, das sei unser Anteil an den Einnahmen. Ich brauchte eine Weile, bis ich dahinterkam, dass ich gar keine Gage kriegte und Jane mich buchstäblich aus eigener Tasche bezahlte. Es war eine harte und stürmische Zeit, aber bis zum Sommer hatte ich meinen Rhythmus gefunden, aus dem Publikum wurden manche Gedichte lauthals eingefordert, die Leute schienen auf meiner Seite zu sein. Ich ging dazu über, jeden Auftritt mit Piss Factory zu beenden, einem Prosagedicht, das ich um meinen Ausbruch aus der unterbezahlten Akkordarbeit in die Freiheit von New York City herum improvisiert hatte. Es schien das Publikum und mich zusammenzubringen.
Am Freitag, dem 13. Juli, veranstaltete ich auf dem Dach des Lofts, das der Undergroundfilmer Jack Smith in der Greene Street, Ecke Canal bewohnte, eine Lesung zu Ehren von Jim Morrison. Ich hatte sie auf eigene Faust organisiert, und alle waren gekommen, um mit mir gemeinsam Jim Morrisons zu gedenken. Lenny Kaye war ebenfalls da, und auch wenn wir an diesem Abend nicht zusammen auftraten, sollte bald eine Zeit kommen, in der ich mir nicht mehr vorstellen konnte, ohne ihn auf der Bühne zu stehen.
Dass so viele Leute zu einem selbst organisierten Poetry-Abend kamen, machte Jane richtig heiß. Sie meinte, zusammen mit Lenny könnten wir einen Weg finden, meine Texte einem breiteren Publikum zu präsentieren. Wir erwogen sogar, ein richtiges Klavier dazuzunehmen, womit Linda allerdings, wie sie sagte, aus dem Geschäft wäre. Damit lag sie gar nicht so falsch. Jane ließ sich nicht abschrecken. Sie stammte aus altem Broadway-Adel: Ihr Vater, Sam Friedman, war ein legendärer Presseagent, der unter anderem mit Gypsy Rose Lee, Lotte Lenya und Josephine Baker gearbeitet hatte. Er hatte alle Premieren und Pleiten miterlebt, die der Broadway gesehen hatte. Jane hatte seine Vorstellungskraft und hartnäckige Entschlossenheit geerbt; sie würde irgendeinen Weg zum Durchbruch für uns finden.
Ich setzte mich wieder an die Schreibmaschine.
»Patti, nein!«, japste Robert schockiert. »Du rauchst ja Pot!« Ich guckte schuldbewusst zu ihm hoch. Erwischt.
Ich hatte The Harder They Come gesehen, und die Musik hatte mich begeistert. Als ich mir den Soundtrack genauer anhörte, folgte ich seiner Spur zu Big Youth und den Roys, U-Roy
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