Just Kids
und I-Roy, und er führte mich bis nach Äthiopien. Die Verbindung der Rastafaris zu Salomon und Sheba und dem Abessinien vonRimbaud zog mich unwiderstehlich an und bewog mich schließlich, es mal mit ihrem geheiligten Kraut zu versuchen.
Es war ein geheimes Laster, bis Robert mich dabei erwischte, wie ich versuchte, ein bisschen Gras in eine leere Kool-Zigarettenhülse zu stopfen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie man einen richtigen Joint baute. Es war mir etwas peinlich, aber er setzte sich zu mir auf den Boden, las die Samen aus meinem bescheidenen Vorrat von mexikanischem Gras heraus und baute ein paar dünne Joints. Er grinste mich an, und wir zogen einen durch, unser erster gemeinsamer Joint.
Das Kiffen mit Robert versetzte mich jedoch nicht in die abessinische Hochebene, sondern ins tiefe Tal des unkontrollierbaren Kicherns. Ich erklärte ihm, eigentlich sollte Gras einem ja das Dichten erleichtern und nicht bloß das Rumalbern fördern. Aber wir konnten nicht aufhören zu lachen. »Na los«, meinte er, »gehen wir zu B&H.« Es war mein erster bekiffter Ausflug in die Außenwelt. Ich brauchte übertrieben lange, mir die Stiefel zu schnüren, meine Handschuhe zu finden, meine Mütze. Robert stand grinsend da und sah zu, wie ich im Kreis herumlief. Zumindest begriff ich jetzt, warum Harry und Robert immer so lange dafür brauchten, sich fertig zu machen, wenn sie zu Horn und Hardart wollten.
So lustig das auch gewesen war, danach kiffte ich doch lieber wieder allein, hörte Screaming Target und schrieb wirre Prosa. Ich habe Gras nie als gesellige Droge empfunden. Ich benutzte es ganz gerne zum Arbeiten, zum Nachdenken und später auch zum Improvisieren mit Lenny Kaye und Richard Sohl, wenn wir drei uns unter einem Weihrauchstrauch versammelten und von Haile Selassie träumten.
Sam Wagstaff wohnte im vierten Stock eines klassizistischen, eindrucksvollen weißen Gebäudes auf der Bowery, Ecke Bond Street. Wenn ich die Treppen hochstieg, wusste ich immer, dass mich etwas Neues und Wunderbares erwarten würde. Dinge, die ich betrachten, berühren und katalogisieren konnte: alte Glasnegative,Salzdrucke, auf denen längst vergessene Dichter zu sehen waren, Fotogravüren von den Tipis der Hopi-Indianer. Sam hatte auf Roberts Drängen hin begonnen, Fotografien zu sammeln, anfangs eher zögerlich und mit amüsierter Neugier, dann mit der Besessenheit eines Schmetterlingssammlers in den Tropen. Sam kaufte, was er haben wollte, und manchmal hatte man den Eindruck, er wollte einfach alles.
Das erste Foto, das Sam kaufte, war eine exquisite Daguerreotypie in einem rotsamtenen Etui mit einer Schließe aus Weichgold. Sie war in makellosem Zustand, und Roberts eigene Daguerreotypien, die er unter Bergen alter Familienfotos in Trödelläden hervorgekramt hatte, verblassten daneben. Zeitweise ärgerte sich Robert über so etwas, weil er schließlich als Erster mit dem Sammeln von Fotografien begonnen hatte. »Ich kann mit ihm einfach nicht mithalten«, sagte er mit gewisser Wehmut. »Ich habe ein Monster erschaffen.«
Zu dritt durchkämmten wir die Book Row, die verstaubten Antiquariate, die früher die Fourth Avenue säumten. Robert durchsuchte dann akribisch Kartons voller alter Postkarten, Stereokarten und Ferrografien nach einem besonderen Kleinod. Sam hingegen, ungeduldig und von Geldsorgen unberührt, kaufte einfach den ganzen Karton. Und ich stand daneben und hörte mir an, wie sie sich zankten. Es klang ausgesprochen vertraut.
Das Durchforsten von Antiquariaten war eine meiner Spezialitäten. Wenn ich Glück hatte, stieß ich auf eine begehrte viktorianische Kabinettkarte oder eine hervorragende Fotomappe mit Kathedralen der Jahrhundertwende, und einmal, bei einem besonders erfolgreichen Fischzug, auf eine unbemerkt gebliebene Fotografie von Cameron. Das Sammeln von Fotografien kam gerade erst auf, und man konnte immer wieder echte Schnäppchen machen. Es waren tatsächlich noch Gravurdrucke großformatiger Fotos von Edward Curtis dabei. Die Schönheit und die historische Bedeutung dieser Fotografien nordamerikanischer Indianer hatten es Sam angetan, und er erstand mehrere Bände.Später, als wir in seiner großen, leeren, von Tageslicht durchfluteten Wohnung auf dem Boden saßen, beeindruckten uns nicht nur die Bilder, sondern die ganze Machart. Sam befühlte den Rand der Fotografien mit Daumen und Zeigefinger. »Dieses Papier hat was«, sagte er.
Im Bann seiner neuen Leidenschaft war Sam ständig auf
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